Ärzteschaft

Seltene Erkrankungen in einem Drittel der Fälle diagnostizierbar

  • Mittwoch, 28. Februar 2024
/Prostock-studio, stock.adobe.com
/Prostock-studio, stock.adobe.com

Berlin – In den vergangenen Jahren haben sich die Pathomechanismen vieler seltener neurologischer Erkran­kungen geklärt, was die Grundlage für die Entwicklung kausaler Therapien ist. Das be­richtete heute die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) zum morgigen Tag der seltenen Erkrankungen.

Demnach können mittlerweile bis zu 35 Prozent aller seltenen Erkrankungen diagnostiziert werden. „Eine entscheidende Rolle dabei hat die Neurogenetik gespielt“, erläuterte die DGN-Expertin Christine Klein.

Heute würden nicht nur ausgewählte Gene analysiert, die mit einer bestimmten Krankheit assoziiert seien – Stichwort „Genpaneldiagnostik“ – sondern immer häufiger bereits die gesamte kodierende Sequenz des Ge­noms. Neu sei zudem die Einbeziehung nicht kodierender Genabschnitte in die Analyse, also sogenannter Introns.

Im April startet zudem ein Gesamtgenomsequenzierungsprojekt für seltene Erkrankungen. Es ist der Fachge­sellschaft zufolge zu erwarten, dass es viele neue Befunde generieren wird, die seltene Krankheitsbilder er­klären, neue aufdecken, mögliche genetische Ursachen aufzeigen und so die Entwicklung neuer Therapien ermöglichen.

Seltene Erkrankungen sind in der EU als Krankheiten definiert, von denen fünf Personen pro 10.000 Einwoh­ner betroffen sind. Insgesamt sind rund 7.000 bis 8.000 verschiedene seltene Krankheitsbilder beschrieben. In der Europäischen Union gibt es etwa 40 Millionen Betroffene, das heißt, bis zu acht Prozent der Bevölkerung haben eine seltene Erkrankung. Allein in Deutschland geht man von 4,8 Millionen Betroffenen aus.

„Das zeigt, wie wichtig Forschung auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen ist, und es ist bei weitem nicht so, dass wir damit nur ganz wenigen Menschen helfen“, erklärte Peter Berlit, DGN-Generalsekretär. Eine große Herausforderung ist laut DGN, seltene Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen.

„Keiner kann 8.000 seltene Krankheitsbilder kennen, und bei bestimmten Symptomkonstellationen geht man zunächst von häufigeren Krankheiten aus, bei denen diese Symptome ebenso typisch sind. Eine weitere He­rausforderung ist, dass sich seltene Erkrankungen auch hinter bekannten Krankheitsbildern verstecken kön­nen“, erläutert Klein. Ein Beispiel dafür seien genetisch-bedingte Parkinson-Subtypen, die oft nur bei sehr frühem Erkrankungsalter erkannt würden.

Dennoch habe sich auch im Bereich der Diagnostik viel getan: „Wir haben heutzutage ein besseres Hand­werks­zeug als noch vor wenigen Jahren, um seltene Erkrankungen zu erkennen“, so Klein.

Die ehemalige Präsidentin der DGN verweist unter anderem auf Fortbildungsprogramme ihrer Fachgesell­schaft und auf Netzwerke wie die Deutsche Akademie für seltene neurologische Erkrankungen (DASNE), die Neurologinnen und Neurologen beratend zur Seite stehen. „Unser Ziel ist es, den Weg zur Diagnose von seltenen Krankheiten zu verkürzen“, betonte sie.

Ein Stufenkonzept für die Diagnostik empfiehlt der Verband „Akkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM). In der Differentialdiagnostik sollte der Fokus zunächst auf den häufigen Erkrankungen liegen.

„Findet sich damit keine Diagnose, so darf in einer Stufendiagnostik natürlich nicht das Ende erreicht sein“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Jan Kramer. Häufig sei der interdisziplinäre Dialog ent­scheidend für eine erfolgreiche Diagnostik, betont er.

Es bedürfe dann sowohl am Krankenbett, beim Patientengespräch in der Praxis als auch im medizinischen Labor, Ärztinnen und Ärzte, die weiterhin der Ursache einer Erkrankung auf der Spur bleiben würden.

hil

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung