Politik

Spahn: Coronademos spiegeln nicht Gesamtstimmung im Land wider

  • Dienstag, 1. September 2020
/picture alliance, AAPimages, Timm
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Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat davor gewarnt, die Berliner Demons­tration gegen staatliche Coronaauflagen als exemplarisch für die Stimmungslage im Land anzusehen.

„Wir sehen in Umfragen und ich spüre in Veranstaltungen, dass es insgesamt eine große Unterstützung für unsere Politik gibt“, sagte der CDU-Politiker gestern im ZDF-„heute jour­nal“. „Wir dürfen diese Bilder nicht als die Gesamtstimmung im Land nehmen.“ Aber es gebe auch Kritik, mit der man sich auseinandersetzen könne.

„Oder eben Szenen, wo purer Hass zu erleben ist. Da ist natürlich eine Diskussion am En­de nicht möglich. Die hat keine Grundlage. Weil man einander nicht zuhört“. Spahn war am vergangenen Samstag am Rande eines Wahlkampftermins in Nordrhein-Westfalen von Demonstranten angefeindet und beschimpft worden.

Er könne verstehen, dass viele Menschen enttäuscht seien und Frust hätten, sagte der Minister. „Aber die Frage ist: welcher Frust rechtfertigt diesen Hass“, fügte er hinzu. Er erlebe beides: Jene, die berechtigte Fragen hätten, wo es aber eine Bereitschaft gebe zuzuhören.

Überrascht zeigte sich Spahn angesichts der Zusammensetzung der Demonstrationen am vergangenen Wochenende. „Was mich echt be­schäftigt, ist, dass die Regenbogenflagge, die Flagge von Freiheit, Recht, Emanzipation der Schwulenbewegung, auf der gleichen Demo wie die Reichsflagge ist und die Nazisymbole – da fragt man sich schon, was ist da los?“

Berlin erlässt Maskenpflicht für Demos

In Berlin hatte es am vergangenen Samstag und Sonntag mehrere Protestkundgebungen gegen die Coro­napolitik der Regierung gegeben. Dabei eskalierte am Samstagabend die Lage vor dem Reichstagsgebäude: Mehrere hundert rechtsextreme Demonstranten stürm­ten auf die Treppe des Sitzes des Bundestages und versuchten, ins Parlaments­gebäude einzudringen.

Am Samstag hatten bei mehreren Veranstaltungen bis zu 38.000 Menschen gegen die Coronapolitik der Bundesregierung demonstriert. Eine Demo mit 18.000 Menschen muss­te aufgelöst werden, weil die Mindestabstände nicht eingehalten wurden und der Versuch scheiterte, dort als Auflage eine Maskenpflicht zu verfügen.

Vorab durch die Versamm­lungs­behörde wegen des Infektionsschutzes verhängte Demons­­­­tra­tions- und Kundge­bungsverbote waren gerichtlich wieder aufgehoben worden.

Berlin hat im Nachgang der Proteste heute eine Maskenpflicht bei Demonstrationen ab hundert Teil­neh­mern beschlossen. Dafür soll die Infektionsschutzverordnung geändert werden. Die Rechtsänderung sei „ein wichtiges Signal“ an die Demoveranstalter, sagte Berlins Innen­senator Andreas Geisel (SPD).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief die Regierungen angesichts der Proteste in der Welt dazu auf, auf Demonstra­ti­onen gegen staatliche Maßnahmen mit Besonnenheit zu reagieren.

Die Regierungen soll­ten nicht überreagieren, sagte der WHO-Experte Mike Ryan in Genf. „Die wirklich wich­ti­ge Sache ist, in einen Dialog einzutreten.“ Gerade jetzt komme es da­rauf an, nicht noch mehr Spaltung in der Gesellschaft zu befördern.

Überzeugungsarbeit zur Notwendigkeit von Maßnahmen könne manchmal scheitern. „Aber es ist wirklich wichtig, dass man nicht seinen Willen aufzwingt“, sagte Ryan. Es ge­be ein Recht darauf, nicht zuzustimmen.

Ausnahmesituation wie die Coronakrise erzeugten immer starke Gefühle und Reaktionen. Natürlich sei es auch ein Gebot, dass die Proteste in einer sicheren Art und Weise ablie­fen, die das Risiko einer Übertragung nicht erhöhe, sagte Ryan weiter. Auch das könne durch Zuhören und Dialog erreicht werden.

dpa/afp

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