Politik

SPD-Politiker schlägt Amnestie für Verstöße gegen Coronaregeln vor

  • Montag, 8. April 2024
/picture alliance, Gerald Matzka
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Berlin – Ein Jahr nach dem Ende der letzten Schutzauflagen in der Coronakrise sind aus der SPD Vorschläge für einen Straferlass bei Verstößen laut geworden. Dafür, was die Pandemie gesellschaftlich angerichtet hat, fand die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats am Wochenende deutliche Worte.

„Wir wissen aus heutiger Sicht, dass manche Maßnahmen nicht so zwingend waren, wie wir damals dachten“, sagte der ehemalige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Michael Müller (SPD), dem Tages­spiegel. „Deshalb kann man, finde ich, auch über eine Amnestie nachdenken.“

Es müsse allerdings juristisch nachvollziehbar sein, welche Verfahren warum eingestellt würden. „Dafür bräuchte es klare Kriterien“, ergänzte er

Müller hatte während der Pandemie als Regierender Bürgermeister von Berlin auch Runden der Ministerpräsi­denten geleitet. Zusammen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde bei den Treffen etwa über die Coronapolitik in Deutschland abgestimmt.

Wie die Zeitung berichtete, hatte in Berlin zuletzt ein heute 21-Jähriger einen Bußgeldbescheid erhalten, weil er vor drei Jahren im Lockdown statt mit maximal fünf Leuten zu sechst auf der Straße unterwegs war. „Das sind Kuriositäten unseres Rechtsstaates. Ich setze in dieser Frage auf den gesunden Menschenverstand und Ermessensspielraum der Behörden, gerade in so einem Fall“, sagte Müller zu dem Fall.

Generell sprach sich der SPD-Politiker für eine bessere Aufarbeitung des Umgangs mit der Pandemie aus. „Allerdings darf man diese Zeit nicht nur schwarzmalen. Wir haben als Gesellschaft in der Pandemie auch viel gelernt“, sagte er.

Eine Entschuldigung bei der Bevölkerung für die gesamte Politik während der Pandemie lehnt er ab. „Wir müssen selbstkritisch sein und Fehler benennen, wo sie gemacht wurden“, sagte er. Für einzelne könne man sich auch entschuldigen. „Aber eine Entschuldigung für die Coronazeit als Ganzes wäre nicht angebracht.“ Es seien sehr viele Menschenleben durch die Politik gerettet worden.

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, hat die Pandemie als „größte gesellschaftliche Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet. Sie sei daher erstaunt, „dass wir zur Tagesordnung übergegangen sind“, sagte Buyx dem Deutschlandfunk. Eine Enquetekommission des Bundestages könne zwar die politische Auf­arbeitung leisten – dies sei jedoch „viel zu wenig“.

Die Kommission würde lediglich die Pandemiemaßnahmen und ihre Verhältnismäßigkeit in den Mittelpunkt rücken statt anzuerkennen, dass es sich um die „Erfahrung einer existenziellen Krise“ handele, betonte die Expertin. Dies könne man vor allem an psychischen Folgen für Kinder und Jugendliche beobachten.

„Mir wäre es wichtig, wenn wir so einen Heilungsprozess haben wollen, dass man sich nicht einbildet, man macht eine Enquetekommission, und dann ist es irgendwie erledigt, sondern das muss man breiter ziehen.“

Eine Lehre, die aus der Pandemiezeit gezogen werden müsse, sei auch ein bewussterer öffentlicher Umgang mit psychosozialen Komponenten einer Gesellschaft. Buyx betonte, dass das Phänomen der Einsamkeit seit der Coronapandemie zunehmend ins öffentliche Bewusstsein gelangt sei. Die Folgen von Einsamkeit könnten gravierend sein.

„Das ist verbunden mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, also wirklich Herzinfarkt, Schlaganfall, so richtig die großen Killer mit Krebs, mit Demenzerkrankungen, aber eben auch mit einer schlechteren psychischen Gesundheit, und zwar richtig stark“, so die Expertin.

Hinzu komme, dass Einsame anfälliger für Manipulationen und Verschwörungserzählungen seien. „Und man weiß eben auch, dass Sozialkontakte helfen, Emotionen wieder runterzuholen, Wut, Ärger, Hass, das Ganze, was so brennt.“ Daher müsse auch die Politik daran interessiert sein, das Problem anzugehen.

dpa/kna

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