SPD rückt von Bürgerversicherung ab und nennt Arzthonorarangleichung unverzichtbar

Berlin – Die SPD rückt unmittelbar vor den Koalitionsgesprächen mit CDU und CSU von ihrem großen Ziel einer Bürgerversicherung ab. Zugleich beharren die Sozialdemokraten auf einer Angleichung der Arzthonorare für Privat- und Kassenpatienten. Wie diese im Detail aussehen sollen, sagen sie weiterhin nicht.
„Da das Modell der Bürgersicherung in den Sondierungsgesprächen nicht durchsetzbar war, werden wir jetzt andere Mittel und Wege suchen, die Zweiklassenmedizin aktiv zu bekämpfen“, erklärte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach heute. Er betonte, dass rund 90 Prozent der Bürger gesetzlich versichert seien. Diese wolle die SPD in den Verhandlungen vertreten. Gesetzlich Versicherte dürften nicht „systematisch schlechter behandelt“ werden als Privatpatienten, sagte er.
Union muss sich bewegen
Lauterbach stellte auch klar, dass die Sozialdemokraten in den jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen bei dem Komplex „Gesundheit“ viel erreichen müsse. Ansonsten komme man „nicht durch das Mitgliedervotum kommen“, sagte er. Die SPD will nach Ende der Gespräche mit der Union alle Parteimitglieder über ihre erneute Regierungsbeteiligung entscheiden lassen. Wenn die Union wolle, dass die SPD in eine Koalition komme, dann müsse sie sich bei der Frage der Angleichung der Arzthonorare bewegen, sagte Lauterbach.

Er twitterte heute, dass er gemeinsam mit der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, die Koalitionsverhandlungen zu Gesundheit und Pflege leiten werde. Vom Ergebnis hänge „viel ab“, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst.
Neben der Angleichung der Arzthonorare sei für die SPD auch eine Entbürokratisierung des Systems und eine bessere Zusammenarbeit von Krankenhäusern und Arztpraxen wichtig. „Schließlich ist uns bei der SPD ein wesentliches Anliegen, dass die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich durch bessere Vorbeugemedizin abgebaut werden“, sagte Lauterbach. Seinen Aussagen zufolge würden die Ärmeren mehr als zehn Lebensjahre früher als die Wohlhabenden sterben. „Das ist unerträglich. Und das ist aus meiner Sicht die größte Ungerechtigkeit in Deutschland überhaupt“, so Lauterbach.
Heute will sich die SPD-Führung mit ihren Unterhändlern in Berlin zu internen Beratungen, um den Kurs für die Gespräche mit CDU und CSU abzustecken. Der SPD-Parteitag am Sonntag in Bonn hatte ihnen den Auftrag erteilt, drei Punkte durchzusetzen: die Abschaffung grundloser Jobbefristungen, einen Einstieg in das Ende der Zweiklassenmedizin – worunter die SPD das Ziel der Verschmelzung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung versteht – und eine „weitergehende Härtefallregelung“ für den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus.
Die Union lehnt zwar grundlegende Änderungen an der gemeinsamen Sondierungsvereinbarung ab, vermeidet derzeit aber scharfe Töne. In der Gesundheitspolitik haben Unionspolitiker bereits signalisiert, sich Änderungen bei Honoraren für Ärzte oder bei den Wartezeiten auf Arzttermine vorstellen zu können.
Koalitionsverhandlungen beginnen morgen
Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD sollen morgen beginnen. Für 9 Uhr ist zunächst ein Treffen der Parteichefs Angela Merkel (CDU), Martin Schulz (SPD) und Horst Seehofer (CDU) im Konrad-Adenauer-Haus angesetzt, wie es in Verhandlungskreisen hieß. Die SPD-Führung klärt heute im Willy-Brandt-Haus letzte Details zur inhaltlichen und personellen Aufstellung für die Verhandlungen ab. Die interne Vorbesprechung der Union hatte bereits am Dienstag stattgefunden.
Die Union will die Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition schnell abschließen, als mögliches Enddatum wird das Karnevalswochenende am 10. und 11. Februar genannt. Die SPD will sich aber nicht drängen lassen. Nach einem Abschluss müssten die mehr als 440.000 SPD-Mitglieder auch noch über das Verhandlungsergebnis abstimmen, was bis zu drei Wochen in Anspruch nehmen könnte.
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