Politik

Stammzell­experimente: Buyx sieht keine Verstöße gegen ethische Grundsätze

  • Montag, 26. Juni 2023
/Anusorn, stock.adobe.com
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Berlin – Ungeachtet aktueller Experimente, bei denen Wissenschaftler aus menschlichen Stammzellen im Labor embryoähnliche Zellen erzeugten, sieht die Medizinethikerin Alena Buyx derzeit keine Verstöße gegen ethische und moralische Prinzipien.

Zwar könne mit dieser Technik grundsätzlich auch geklont werden, es könnten also Menschen entstehen, sagte Buyx dem Bayerischen Rundfunk. Das sei jedoch etwas, „das im Prinzip weltweit geächtet wird“.

„Da gibt es einen seltenen medizinethischen Konsens, den ich auch sehr begrüße“, betonte Buyx. „Und ich sehe tatsächlich auch niemanden, der in dieser Diskussion dafür plädieren würde, diesen Konsens nochmal neu anzugehen.“

Die Ethikerin wies darauf hin, dass die bei den Experimenten entstandenen embryoähnlichen Strukturen unter strenger Kontrolle zu Forschungszwecken eingesetzt würden. Es gehe darum, etwa das Frühstadium einer Schwangerschaft zu untersuchen. Allerdings sei diese Technik in Deutschland bisher im Embryonen­schutzgesetz nicht geregelt, räumte Buyx ein. Daher müsse darüber diskutiert werden.

Ethische Grenzen klären

Niemand müsse sich jetzt vor dem Menschen in der Petrischale ängstigen, sagte die Ethikratsvorsitzende weiter. Was aber was die prinzipielle technologische Möglichkeit anbelange, sei man auf einem Weg, der mit einer umfassenden ethischen Debatte begleiten werden müsse.

„Das sind Forschungen, die bei vielen Menschen auf moralische Bauchgefühle stoßen und das sollte man abholen“, sagte Buyx. Je näher diese Strukturen in Richtung entwicklungsfähiger Embryonen rückten, desto wichtiger werde es, zu klären, wo ethische Grenzen verliefen.

Ein Team der Universität Cambridge hat nach eigenen Angaben im Labor, also ohne Befruchtung einer Eizelle durch Sperma, synthetische Embryos erschaffen. Allerdings wurden die Forschungsergebnisse laut Buyx bis­her noch nicht unabhängig von anderen Wissenschaftlern überprüft.

Die Entwicklungen sollten aus Sicht des Medizinethikers Nils Hoppe eine neue Debatte anstoßen. „Man könn­te die Forschung an embryonenartigen Strukturen, die ohne Keimzellen entstehen, grundsätzlich erlauben“, sagte Hoppe im Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Gesetze in neuem Kontext sehen

Das deutsche Embryonenschutzgesetz gehe indes davon aus, dass Embryonen aus Keimzellen entstehen. „Es ist unflexibel und lässt nicht zu, auf technische Neuerungen wie die der Erzeugung von embryonenähnlichen Strukturen aus Stammzellen zu reagieren“, kritisierte der Wissenschaftler. „Gesetze müssen in neuen Kontex­ten interpretierbar sein. Das ist dieses Gesetz vollumfänglich nicht“.

Der Zweck des Embryonenschutzgesetzes sei es ursprünglich unter anderem gewesen, zu verhindern, „dass etwa in Kinderwunschkliniken massenhaft überzählige Embryonen erzeugt werden, die dann in der Forschung verwendet werden“. Darum gehe es bei der aktuellen Entwicklung jedoch nicht, betonte Hoppe.

„Bisher haben wir beim Embryonenschutz immer nur zwei Arten von Embryonen im Blick gehabt. Zum einen solche, die im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung entstanden sind, aber nicht implantiert wurden. Zum anderen Embryonen, die im Labor extra für die Forschung hergestellt wurden." Nun komme „möglicherweise eine dritte Form von Embryonen hinzu“.

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet bisher Experimente an menschlichen Embryonen. Die recht­liche Einordnung von synthetischen, aus Stammzellen reprogrammierten Embryonen bleibt allerdings welt­weit unklar.

Den Begriff von Würde in diesem Zusammenhang finde er „schwierig“, sagte Hoppe: „In Deutschland ist es mit der Würde eines Embryos nicht vereinbar, als Mittel zum Zweck, also etwa für die Forschung, verwendet zu werden. Warum ist es würdevoller, wenn überschüssige Embryonen aus einer Kinderwunschbehandlung ultimativ als Krankenhausabfall vernichtet werden?“

Der Experte zeigte sich skeptisch, ob sich der Gesetzgeber der neuen Technologie zügig stellen werde. Zu einer solchen Diskussion müssten sich aus seiner Sicht auch andere Institutionen wie die Kirchen oder der Ethikrat positionieren. Der Diskussionsbedarf jedenfalls werde größer.

kna/afp

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