Sterbehilfe: Anpassung des ärztlichen Berufsrechts angemahnt
Berlin – Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Suizidbeihilfe, das Ende Februar das seit 2015 bestehende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe (Paragraf 217 Strafgesetzbuch) für verfassungswidrig erklärt und gekippt hatte, fordert der Palliativmediziner Matthias Thöns nun auch eine Änderung der ärztlichen Berufsordnung.
„Wir müssen das Urteil anerkennen – unter der Beachtung, was wissenschaftlich unstrittig ist“, sagte der Arzt heute im Rahmen einer Gesprächsreihe zum Thema Suizidbeihilfe, zu der Katrin Helling-Plahr, Expertin für Gesundheits- und Rechtspolitik der FDP-Bundestagsfraktion, eingeladen hatte.
Thöns gehört zu den Personen, die Verfassungsbeschwerde gegen Paragraf 217 Strafgesetzbuch eingelegt hatten. Der Palliativmediziner aus Witten begrüßt deshalb das in diesem Jahr gefällte Urteil ausdrücklich.
Gleichzeitig bedauert er jedoch, dass weiterhin die Mehrzahl der Landesärztekammern im Standesrecht eine ärztliche Hilfestellung beim Suizid untersagen. Das Berufsrecht müsse dringend so angepasst werden, dass das Recht auf Sterbehilfe nicht vom Wohnort des Betroffenen abhänge, betonte er heute.
Zudem dürften Ärzte, die bei ihren Patienten Suizidbeihilfe leisteten, nicht belangt werden. „Palliativmedizin schließt Sterbehilfe nicht aus“, erklärte er heute. Auch wenn einige seiner Kollegen behaupteten, Palliativversorgung könne immer das Leiden ausreichend lindern, so sei das nach seiner Erfahrung nicht immer möglich – auch nicht mit der palliativen Sedierung.
Zudem: Vielfach wollten die Patienten auch nur die Sicherheit haben, dass ihnen ein Arzt auch dann hilft, wenn die palliativmedizinische Leidenslinderung nicht ausreiche. Häufig schüre erlebte Übertherapie die Angst vor einem langsamen und qualvollen Tod.
Als eine Lösung schlug Thöns während der heutigen Diskussion eine Neuregelung und Anpassung des Betäubungsmittelrechts vor. Die Verabreichung von Betäubungsmitteln sei nur Ärzten erlaubt, und zwar „aus gutem Grund“.
Ärzte könnten entscheiden, ob es sich bei den Suizidwilligen um Menschen mit potenziell reversiblen Suizidwünschen aufgrund von Trauer oder Ängsten (Gruppe 1), um kranke Menschen mit einem ambivalenten Lebenswillen und wechselnder Angst vor dem Leiden (Gruppe 2) oder um sterbensnahe Patienten mit nicht linderbaren Leiden (Gruppe 3) handele.
Während man vor der Suizidbeihilfe von Menschen der Gruppe 1 und 2 Hürden in Form von psychiatrischen Gutachten und Wartezeit einbauen müsse, sei Menschen der Gruppe 3 keine lange Wartezeit zumutbar. In diesen Fällen könne auch ein Mehr-Augen-Prinzip vor einer Suizidbeihilfe eingeführt werden, schlug Thöns vor.
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