Stickoxid-Werte bleiben in fast 70 Städten zu hoch

Berlin – Die Luft in zahlreichen deutschen Städten bleibt nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums wohl auch nach Umsetzung der beim Diesel-Gipfel beschlossenen Schritte schmutziger als erlaubt. „Für fast 70 deutsche Städte reichen die Maßnahmen voraussichtlich nicht aus, um die Atemluft unter den Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid im Jahresmittel zu senken“, sagte heute die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger. Nur in rund 20 Städten, die derzeit knapp über dem Grenzwert liegen, würden die Beschlüsse des Diesel-Gipfels dazu führen, die seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte endlich einzuhalten.
Software-Updates für eine bessere Abgasreinigung und Umtauschprämien für ältere Diesel senken nach Berechnungen des UBA die Belastung mit gesundheitsschädlichem Stickoxid um bis zu sechs Prozent. Das reiche nur in etwa 20 betroffenen Städten, um die Stickoxid-Werte unter die Marke von 40 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel zu drücken, teilte das Bundesumweltministerium heute mit. Damit drohen weiterhin Diesel-Fahrverbote.
Recht auf saubere Luft
„Die Bevölkerung in den deutschen Städten hat ein Recht auf saubere Luft“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zu den Ergebnissen. Deshalb seien Maßnahmen notwendig, die zu einer raschen Senkung der Stickstoffdioxidbelastung führten. Der Diesel-Gipfel sei ein erster Schritt gewesen, dem dringend weitere und größere Schritte folgen müssten. Im ARD-Morgenmagazin hatte die Ministerin die deutsche Autoindustrie abermals zu weitergehenden Nachrüstungen von Dieselautos aufgefordert. Die auf dem Diesel-Gipfel Anfang August angekündigten Softwareupdates reichten nicht aus, sagte sie.
„Es ist vollkommen klar, mit diesen 150 Euro pro Auto kommen wir nicht hin“, sagte Hendricks. Es werde eine Nachrüstung der Hardware, also eine Abgasreinigung geben müssen. Bezahlen müsse dies die Autoindustrie. In der aktuellen Situation sind nach ihren Worten Fahrverbote weiterhin nicht vom Tisch. Kritisch äußerte sich Hendricks auch zu den von den Herstellern ausgelobten Umtauschprämien. „Das wirkt überhaupt nur richtig, wenn dann wirklich emissionsarme Fahrzeuge angeschafft werden“, sagte sie.
Die Automobilbranche in Deutschland hält die beim Diesel-Gipfel beschlossenen Maßnahmen zur Luftverbesserung in Städten hingegen vorerst für ausreichend. „Nur drei Wochen nach dem Gipfel besteht keinerlei Anlass für Nachjustierungen“, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) heute mit. „Wenn jetzt bereits weitere Forderungen erhoben werden, scheint das eher dem laufenden Wahlkampf als Sachgründen geschuldet zu sein.“
Der VDA betonte zudem, Hardware-Nachrüstung seien „in der Breite technisch nicht umsetzbar“, weil bei der Vielzahl der betroffenen Modelle der Platz für den Einbau der notwendigen Teile fehle. „Zudem wäre eine Umsetzung langwierig, da Entwicklung und Erprobung sowie die zusätzlichen Typprüfungen mehrere Jahre dauern würden“, argumentiert der Verband.
Hendricks nannte die Weigerung der Autoindustrie, sich mit technischen Nachrüstungen zu befassen, „nicht akzeptabel“. „Ich kann den Automobilherstellern nur raten, hier schnell Lösungen zu entwickeln“, sagte sie. Klar sein müsse, dass wie bei den Softwareupdates die Hersteller verantwortlich seien und vollständig die Kosten tragen müssten.
Das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium warnte davor, einzelne Maßnahmen herauszugreifen, da auf dem Dieselgipfel ein Gesamtpaket beschlossen worden sei. Die Lage sei in den Städten ganz unterschiedlich, die „Materpläne“, die den Verkehrs flüssiger machen sollten, hätten ein großes Potenzial.
Kritik von Verbänden und Opposition
Opposition und Umweltschützer sahen sich in ihrer Kritik bestätigt. „Das Umweltbundesamt hat den Diesel-Gipfel als das entlarvt, was er war: ein Schmierentheater, bei dem die Bundesregierung die Kulissen für die Auto-Lobby geschoben hat“, sagte Linke-Chef Bernd Riexinger. Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer forderte, die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass die Autobauer acht Millionen Diesel auf eigene Kosten der Autoindustrie technisch umrüsteten. Auch die Verkehrsclubs ADAC und VCD forderten verbindliche Nachrüstungen.
Die Forderung nach einer Blauen Plakette für schadstoffarme Autos griff der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, wieder auf. „Wir brauchen als Städte die Blaue Plakette für schadstoffarme Autos, um im Falle eines Falles auf Fahrverbote vorbereitet zu sein“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Hendricks wies ebenfalls darauf hin, dass im Falle von Fahrverboten eine neue Kennzeichnung nötig sei – wie die heiße, sei ihr egal.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: