Medizin

Studie: „Dieselgate“ verursacht jährlich 5.000 zusätzliche Todesfälle in Europa

  • Montag, 18. September 2017
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Oslo – Die vermehrte Bildung von Feinstaub und Ozon, zu der es infolge der Emission von Stickoxiden aus Dieselmotoren kommt, verursacht in Europa pro Jahre 10.000 vorzeitige Todesfälle, von denen die Hälfte dem „Dieselgate“ zuzuschreiben sind, also dem Verstoß gegen die Abgasnormen durch leichte Nutzfahrzeuge mit Dieselmotor, deren Stickoxidausstoß im Alltag weit über den Testergebnissen liegt. Zu diesem Ergebnis kommen Modellberechnungen in Environmental Research Letters (2017; 12: 094017).

In Europa gibt es mehr als 100 Millionen Diesel-PKW, doppelt so viele wie im Rest der Welt zusammen. Dies war lange Zeit politisch gewollt, da Dieselmotoren weniger CO2 emittieren als Benzinmotoren. Der Ausstoß von Stickoxiden ist jedoch deutlich höher, so dass heute etwa 40 Prozent aller Stickoxid-Emissionen auf den Straßenverkehr zurückzuführen sind. Ein wesentlicher Anteil davon entfällt auf Diesel-PKW, die im Alltagsbetrieb vier- bis siebenfach mehr Stickoxide emittieren als in den Tests, für die VW (und vielleicht noch andere Hersteller) eine Schummel-Software in ihre PKW eingebaut haben.

Schwierige Auswertung

Jan Eiof Jonson vom Meteorologischen Institut Norwegens in Oslo und Mitarbeiter haben jetzt den Versuch unternommen, den Anteil des „Dieselgate“ auf die vorzeitigen Todesfälle zu berechnen. Dies ist kein einfaches Unterfangen. Zum einen müssen meteorologische Daten (zur Stickoxid-Emission) mit den Ergebnissen epidemio­logischer Studien (zu den Auswirkungen von Feinstaub und Ozon auf das Sterberisiko) kombiniert werden. Zum anderen sind die direkten Folgen der Stickoxid-Emissionen auf die Gesundheit kaum untersucht. Die Forscher haben sich deshalb auf die gesundheitlichen Folgen von Feinstaub und Ozon beschränkt, deren Bildung durch die Stickoxid-Emissionen begünstigt werden.

Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass im Referenzjahr 2013 mehr als 400.000 Menschen vorzeitig gestorben sind, weil sie einer erhöhten Feinstaubonzentration in der Luft ausgesetzt waren. Die Ozonbildung in Bodennähe, zu der es unter bestimmten Wetterbedingungen im Sommer kommt, war für etwa 15.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich.

Etwa 9.390 vorzeitige Todesfälle infolge von Feinstaub und 392 infolge von Ozon waren den Berechnungen von Jonson zufolge auf Diesel-PKW zurückzuführen. Etwa die Hälfte dieser Todesfälle, also etwa 5.000, wären weiteren Berechnungen von Jonson zufolge vermieden worden, wenn alle Fahrzeuge maximal die Stickstoffwerte im Alltagsbetrieb emittiert hätten wie bei des Tests. Hätten alle PKW Benzinmotoren, wären laut Jonson sogar vier von fünf vorzeitigen Todesfällen infolge Feinstaub und Ozon vermieden worden.

Niedrigste Risiken in Norwegen, Finnland und Zypern

Die Länder mit der höchsten Anzahl vorzeitiger Todesfälle infolge des durch Diesel-PKW zusätzlich entstandenen Feinstaubs und Ozons waren Italien vor Deutschland und Frankreich. Dies liegt zum einen an den hohen Bevölkerungszahlen der Länder, zum anderen aber auch an hohen Anteilen an Dieselfahrzeugen. Das Pro-Kopf-Risiko war in Italien fast doppelt so hoch wie in Frankreich. Jonson führt dies auf die sehr ungünstige Verschmutzungssituation vor allem im bevölkerungsreichen Norditalien zurück. Die niedrigsten Risiken hatten Norwegen, Finnland und Zypern, wo die Risiken für die Bevölkerung mindestens vierzehnmal niedriger waren als im Durchschnitt der 28 EU-Länder.

rme

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