Studie: 13.000 vorzeitige Todesfälle mit Verkehrsabgasen assoziiert

Berlin – Luftverschmutzung aus dem Verkehr ist einer neuen Studie zufolge für rund 13.000 vorzeitige Todesfälle jährlich in Deutschland verantwortlich. Laut der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des umweltnahen Forschungsinstituts International Council on Clean Transportation (ICCT) kommt Deutschland damit auf den vierten Rang weltweit. Nur in China (114.000), Indien (74.000) und den USA (22.000) sterben demnach mehr Menschen vorzeitig an Krankheiten, die durch Ozon und Feinstaub ausgelöst werden.
Bezogen auf die Bevölkerungsgröße sterben laut ICCT-Studie nirgends mehr Menschen frühzeitig an Verkehrsabgasen als in Deutschland. Je 100.000 Einwohnern sind es hierzulande 17 vorzeitige Todesfälle. Diese Sterberate ist laut ICCT dreimal so hoch wie der globale Durchschnitt und liegt knapp 50 Prozent über dem Durchschnitt aller EU-Länder. Stuttgart, Köln und Berlin gehören zu den Top Ten der Städte weltweit mit der höchsten Sterberate.
Einer der wichtigsten Gründe dafür ist laut ICCT der hohe Anteil an Dieselfahrzeugen, die viel Feinstaub sowie Stickoxid ausstoßen, das wiederum eine Vorläufersubstanz für Ozon und Feinstaub ist. In Stuttgart etwa waren den Modellrechnungen zufolge rund 78 Prozent der frühzeitigen Todesfälle auf die Emissionen von Diesel-Pkw, Bussen und Lkw zurückzuführen.
Verantwortlich sind laut ICCT insbesondere Diesel-Pkw und leichte Nutzfahrzeuge unterhalb der Euronorm 5b sowie Lkw und Busse der Emissionsnorm Euro V und älter. Die Forscher unterstreichen die Bedeutung von Fahrverboten sowie Programmen zum schnelleren Austausch von Fahrzeugflotten hin zu einem emissionsfreien Verkehr für die Gesundheit der Stadtbevölkerung.
Bei der Studie arbeitete der ICCT, der maßgeblich an der Aufdeckung des Dieselskandals beteiligt war, mit Forschern der George Washington Universität sowie der Universität Colorado Boulder zusammen. Die Forscher führten Daten zum Emissionsverhalten von Fahrzeugen aus dem Jahr 2015 mit Modellen zu Volkskrankheiten zusammen, um die Gesundheitsauswirkungen des Verkehrs auf verschiedenen Ebenen zu berechnen. Einbezogen wurden die Emissionen von Pkw, Bussen, Lkw, Schiffen sowie von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Baumaschinen.
Weltweit starben demnach in etwa 3,4 Millionen Menschen frühzeitig an allgemeiner Luftverschmutzung. Ozon und Feinstaub können Erkrankungen am Herzen, Schlaganfälle, chronische Lungenerkrankungen, Lungenkrebs, Infektionen der unteren Atemwege sowie Diabetes auslösen. 385.000 der weltweiten vorzeitigen Todesfälle sind demnach Folgen von Feinstaub und Ozon aus dem Verkehrsbereich.
Durch die vorzeitigen Tode ging den Volkswirtschaften weltweit laut ICCT-Berechnungen knapp eine Billion Dollar (860 Milliarden Euro) verloren. Allein in Deutschland betrug der gesellschaftliche Schaden demnach 97 Milliarden Euro oder knapp drei Prozent des Bruttonationaleinkommens. Dabei waren Dieselfahrzeuge im weltweiten Durchschnitt für knapp die Hälfte dieser frühzeitigen Todesfälle verantwortlich – in Deutschland sogar für zwei Drittel. Dahinter folgen Bau- und Landwirtschaftsmaschinen sowie Schiffe.
Solche Berechnungen wurden vor allem in der Debatte um Stickoxide und Fahrverbote in Städten zuletzt immer wieder kritisiert. Unter anderem hatte der Lungenfacharzt Dieter Köhler solche epidemiologischen Studien recht pauschal angegriffen. Zuletzt hatte der Mathematiker Peter Morfeld in der ARD-Sendung „Plusminus“ die Berechnungsgrundlage des Umweltbundesamtes in einer ähnlichen Studie kritisiert. Das Umweltbundesamt (UBA) hatte die Kritik nach einer Prüfung zurückgewiesen –seine Ergebnisse zu Stickoxiden, die vom Helmholtz-Zentrum München vorgelegt worden waren, besäßen nach wie vor ihre Gültigkeit.
Susanne Breitner vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum München hat eine Erklärung für die unterschiedlichen Werte: So werde etwa bei der Schadstoffbelastung auf unterschiedliche Modellierungen zurückgegriffen. „Auch die Risikoabschätzung kann unterschiedlich ausfallen, je nachdem, auf welche epidemiologischen Studien man sich bezieht“, sagt sie. „Das Vorgehen bei den Berechnungen ist immer das gleiche.“
Dabei wird etwa das Gebiet Deutschlands in sogenannte Rasterzellen eingeteilt. In die Berechnung gehen dann die dort ermittelten Jahresmittelwerte für bestimmte Schadstoffe ein. Die einzelnen Gebiete werden in Belastungsklassen eingeteilt und die Zahl der dort lebenden Menschen hinzugezogen. Mithilfe epidemiologischer Studien wird dann das Gesundheitsrisiko in der jeweiligen Belastungsklasse geschätzt.
Ein zentraler Baustein ist laut Umweltbundesamt eine mathematische Formel zur Berechnung der sogenannten „Population Attributable Fraction“ (PAF). Mit der Formel wird ein Wert ermittelt, der angibt, wie groß der Anteil von Todesfällen ist, der auf einen Risikofaktor zurückgeführt werden kann, heißt es beim Umweltbundesamt.
Letztlich handelt es sich dabei um eine statistische Abschätzung, stellt das Umweltbundesamt klar. „Die so ermittelten Zahlen sind als Indikatoren für den Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung zu sehen“, heißt es auf der Webseite. Es handele sich dabei keinesfalls um klinisch identifizierbare Todesfälle, die auf einen bestimmten Luftschadstoff zurückgeführt werden können.
Die ICCT-Forscher stützen sich unter anderem auf einen großen Pool aus Daten von Satelliten und Messstationen weltweit und der Abschätzung der Gesundheitsfolgen des Projekts Global Burden Disease.
Feinstaub und Ozon seien die wichtigsten Schadstoffe aus dem Verkehrsbereich, teilte der Geschäftführer des ICCT-Europa, Peter Mock, mit. „Stickoxidemissionen gehören auch mit dazu, deren direkte Gesundheitswirkung kann jedoch unserer Einschätzung nach mit den aktuellen Modellen noch nicht ausreichend gut quantifiziert werden.“ Stickoxid sei jedoch eine Vorläufersubstanz von Feinstaub und Ozon und damit indirekt mit berücksichtigt.
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