Studie zu Fertiglebensmitteln: Beim Zuckergehalt verschätzen sich die meisten

Berlin – Drei von vier Eltern unterschätzen den Zuckergehalt in Fertiglebensmitteln. Diese Fehleinschätzung macht sich im Gesundheitszustand der Kinder bemerkbar: Je stärker die Eltern den Zuckergehalt unterschätzen, umso höher ist der Body-Mass-Index der Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim, die heute auf dem 1. Deutschen Zuckerreduktionsgipfel in Berlin vorgestellt wurde.
Am deutlichsten zeigte sich die Fehleinschätzung bei einem handelsüblichen 250-Gramm-Fruchtjoghurt. 92 Prozent der Eltern unterschätzen den Zuckergehalt. Durchschnittlich gehen sie von nur vier statt der tatsächlichen elf Zuckerwürfel in einem solchen Joghurtbecher aus. Die Forscher um Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, und Jutta Mata, Gesundheitspsychologin an der Universität Mannheim, haben im Rahmen ihrer Studie 305 Eltern befragt und Körpergröße und Gewicht ihrer Kinder gemessen.
„Als bedeutsamen Befund im Kontext des Bemühens um Zuckerreduktion“, sieht Hertwig die Tatsache, „dass Eltern dazu neigen, häufig den Zucker in Lebensmitteln zu unterschätzen“. Mattea Dallacker betont, „dass Eltern maßgeblichen Einfluss auf die Essensauswahl ihrer Kinder haben und deshalb die häufige Zuckerunterschätzung ein potentieller Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht der Kinder darstellt.“ Die Kinder von Eltern, die den Zuckergehalt unterschätzen hatten ein doppelt so hohes Risiko für Übergewicht in der Teilnehmergruppe.
Angesichts der starken Zunahme von Übergewicht in Deutschland – 18 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen sind übergewichtig oder gar adipös – fordert der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, von Politik und Lebensmittelindustrie deutlich mehr Anstrengungen zur wirksamen Zuckerreduktion: „Wir brauchen mehr Transparenz über versteckten Zucker.“ Um angemessene Ernährungsentscheidungen treffen zu können, müssten Eltern abschätzen können, wie viel Zucker in Essen und Getränken enthalten ist.“
„Aber die Lebensmittelindustrie sträubt sich seit Jahren gegen eine laienverständliche Lebensmittelkennzeichnung“, kritisierte Litsch. Unterdessen verarbeite sie weiter unnötig viel Zucker in den Produkten und werben flächendeckend mit gezieltem Kindermarketing. Nach Ansicht der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker e. V. ist die Diskussion um ein Werbeverbot für Kindermarketing im Fernsehen „absurd“: „Man müsste stattdessen die Kinder vom Fernseher wegbekommen“, so der Gegenvorschlag des Hauptgeschäftsführers Günter Tissen.
Seiner Meinung nach führt die Diskussion um Zucker die Leute in die Irre. Es ginge viel mehr um die Kalorien. Dem entgegen setzte Berthold Koletzko, Kinderarzt am Universitätsklinikum München, wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass Zucker eine andere Wirkung auf die Fettsynthese hat als beispielsweise Stärke. Demzufolge seien „Kalorien nicht gleich Kalorien“.
Unter dem Motto „süß war gestern“ startet die AOK jetzt eine nationale Kampagne zur Zuckerreduktion, die unter anderem auch von der Deutschen Diabetes Gesellschaft unterstützt wird.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: