Transparenzgesetz: Kliniken mit Qualitätsdefiziten sollen es schwerer haben

Berlin – Das geplante Krankenhaustransparenzgesetz der Ampelregierung stößt auf deutliche Kritik bei der Opposition. Bei der heutigen ersten Lesung im Bundestag diskutierten die Abgeordneten heftig über das Gesetz sowie über mögliche kurzfristige finanzielle Hilfen der Kliniken. Der Gesetzentwurf sowie ein Antrag der CDU wurden an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Die Bundesregierung plant einen interaktiven, leicht verständlichen und online verfügbaren Atlas, der insbesondere Patienten über das Leistungsangebot der Krankenhausstandorte informieren soll. Das Gesetz soll als Vorbereitung der Krankenhausreform dienen, die Anfang 2024 in Kraft treten soll. Vergangene Woche hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Entwurf des Transparenzgesetzes beschlossen. Das Vorhaben sorgte allerdings bereits im Vorfeld für einige Kritik.
„Das Transparenzgesetz ist längst überfällig“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) heute im Bundestag. Bislang werden die Menschen allein gelassen, bei der Frage welche Versorgung die richtige und Beste für sie sei. Das dürfe nicht sein.
Das geplante Portal helfe zudem auch kleineren Kliniken auf dem Land oder Fachkliniken, die trotz ihrer geringen Größe teils beste Behandlungsergebnisse vorweisen würden, so Lauterbach. Mit dem Transparenzportal bekämen sie die entsprechende Würdigung und würden von Patientinnen und Patienten besser gefunden.
Kliniken mit Qualitätsdefiziten dürften sich allerdings nicht mehr mit Patientinnen und Patienten „füllen“, warnte Lauterbach. Sie müssten sich entweder verbessern und spezialisieren oder könnten nicht mehr im Wettbewerb bestehen.
„Wer ist denn hier bereit, sich zur Verfügung zu stellen, dass die Häuser sich füllen? Niemand von uns. Was wir für uns, für unsere Kinder und Eltern nicht wollen, das sollten wir auch dem einfachen Bürger nicht zumuten“, betonte Lauterbach.
Das Transparenzgesetz sei der erste Baustein der vierteiligen geplanten Krankenhausreform. Nach dem Vorhaben des Transparenzgesetzes folge die Einführung der Vorhaltepauschalen, anschließend die Reform der Notfallversorgung und danach die Reformierung der Rettungsdienste, kündigte Lauterbach an. Damit zeichnet sich ab, dass die Reform der Rettungsdienste und der Notfallversorgung in einzelne Gesetzentwürfe und nicht zeitgleich in das Gesetz zur Krankenhausreform münden sollen.
Lauterbach ging auch auf die gestrigen, bundesweiten Proteste der Krankenhausbeschäftigten ein. „Die Streiks gehen uns sehr nahe“, erklärte er. Die befürchteten kalten Strukturbereinigungen werden und dürften nicht kommen, so der Minister.
Er verwies auf die Hilfsleistungen des Bundes, von Coronahilfen bis hin zu Energiehilfen, die die Krankenhäuser in schwierigen Zeiten bereits unterstützten. Aus seiner Sicht grenze es zudem an Heuchelei, dass die Bundesländer sich nun bei den Protesten beteiligen, in der Vergangenheit allerdings nicht für ausreichende Investitionskostenfinanzierung der Krankenhäuser gesorgt hatten.
Gesetz zäumt Pferd von hinten auf
Deutliche Kritik gab es von der Opposition. Die Linke warf Lauterbach vor, an der umstrittenen Leveleinteilung der Kliniken nach wie vor festhalten zu wollen. Diese hätten die Bundesländer aber zurecht weggestrichen, betonte Ates Gürpinar. Er sorgt sich um einen bürokratischen Mehraufwand durch die im Transparenzgesetz geplante Einteilung der Kliniken in Level.
„Sich jetzt auf das Transparenzgesetz zu stürzen, heißt, das Pferd von hinten aufzuzäumen“, kritisierte der CDU-Abgeordnete Erwin Rüddel das Vorhaben der Ampel. Stattdessen gebe es dringenden Handlungsbedarf im Hinblick auf die Versorgungssicherheit. Rüddel forderte Lauterbach auf, schnell zu handeln und für einen finanziellen Ausgleich der Kliniken zu sorgen.
Insbesondere diesen Aspekt beschäftigte den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge und thematisierte das Krankenhaustransparenzgesetz kaum. Er warf Lauterbach und der Ampelregierung Untätigkeit vor und forderte eine schnelle Umsetzung der Krankenhausreform sowie eine dringende Zwischenfinanzierung für die Krankenhäuser, um drohende Insolvenzen zu vermeiden.
Sein Kollege aus der Union, Stephan Pilsinger (CSU), monierte, Lauterbach betreibe Arbeitsverweigerung, wenn er den Krankenhäusern keine entsprechend schnelle Unterstützung biete.
Die AfD, darunter Thomas Dietz, warf der Regierung vor, mit dem Vorhaben des Transparenzgesetzes zu unterstellen, dass Beschäftigte in den Kliniken keine gute Arbeit leisten würden. Aus Sicht der AfD existierten bereits ausreichende Formate zur Transparenz der Qualität der Krankenhäuser.
Abgeordnete der Ampelfraktionen verteidigten das geplante Vorhaben. Der FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) zufolge werde das Gesetz die Versorgungsqualität in den Mittelpunkt stellen und Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre korrigieren. Es gehe dabei ausschließlich um die Information der Patientinnen und Patienten. Bisherige Qualitätsberichte der Krankenhäuser nannte Aschenberg-Dugnus unbrauchbar.
Auch der SPD-Politiker Matthias Mieves beklagte die mehr als tausend Seiten langen Qualitätsberichte der Kliniken, die nicht übersichtlich seien. „Wir wollen das Check24 für Krankenhäuser bauen“, rief er. Ähnlich wie heute bereits online Handyverträge verglichen oder der Urlaub geplant werden könne, sollten in ähnlicher Weise künftig auch Krankenhäuser und Behandlungen miteinander verglichen werden.
Faktenbasierte Entscheidungen treffen
Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Janosch Dahmen, sagte, das Gesetz sorge für mehr Klarheit etwa über die Anzahl der in den Kliniken tätigen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte.
Damit könne die Politik künftig faktenbasierte Entscheidungen treffen und müssten nicht mehr aus dem Bauch heraus entscheiden. Sein Parteikollege Armin Grau ergänzte, dass es zwar schon Krankenhausportale gebe, diese aber nicht den nötigen Anforderungen entsprechen würden.
Grau betonte, dass das Transparenzgesetz definitiv keine „Krankenhausplanung durch die Hintertür“ darstelle. „Das hat man zuletzt insbesondere aus dem Süden der Republik häufiger gehört. Wir setzen hier 1:1 um, worauf sich Bund und Länder in den Eckpunkten zur Krankenhausreform geeinigt haben. Da können die Länder jetzt nicht wirklich überrascht sein und Ablehnung signalisieren“, so der Grünen-Politiker im Vorfeld der heutigen Debatte.
Dahmen entgegnete der Kritik aus der Union zu einer fehlenden Übergangsfinanzierung zudem: „Sie haben die Kliniken ausbluten lassen und in diese Lage gebracht, dass sie jetzt nach der Alarmstufe Rot schreien“ und wies daraufhin, dass die CDU vor SPD-Politiker Lauterbach das Amt des Gesundheitsministers acht Jahre lang bekleidet hatte.
Bürokratische Maßnahmen werden überprüft
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, glaubt an den mündigen Patienten, der mit dem Vorhaben besser informiert werde. Ullmann zeigte sich einsichtig bezüglich der Kritik, das Gesetz bringe weitere bürokratische Maßnahmen mit sich. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren werde geprüft, ob der Entwurf etwa die Entscheidungsfreiheit der Ärzte unnötig behindere, kündigte Ullmann an.
Die Krankenkassen begrüßen das Vorhaben grundsätzlich. Allerdings fordert der GKV-Spitzenverband weitere Daten zu veröffentlichen. Dazu gehören Informationen über einzuhaltende Pflegepersonaluntergrenzen, Notfallstufen der Krankenhäuser und über die Anzahl operateursbezogener Eingriffe, Angaben zu Mindestmengen, der Strukturqualität von Perinatalzentren und der Erfüllung von Personalanforderungen in der Psychiatrie.
Verbesserungsbedarf sieht auch der AOK-Bundesverband. „So sollte im Verzeichnis auch angezeigt werden, ob der jeweilige Krankenhaus-Standort über ein qualitativ hochwertiges Zertifikat wie „OncoZert“ der Deutschen Krebsgesellschaft oder „EndoCert“ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie verfügt“, sagte Jürgen Malzahn, Leiter der Krankenhausabteilung im AOK-Bundesverband.
Außerdem plädiert er für die Abbildung von weiteren patientenrelevante Qualitätsinformationen. Malzahn regt dazu einen Ideenwettbewerb an, der es allen Akteuren im Gesundheitswesen ermöglicht, Vorschläge einzubringen. „Eine Priorisierung sollte dann durch einen Beirat erfolgen, an dem das Bundesgesundheitsministerium und die Träger des G-BA sowie gegebenenfalls weitere Organisationen beteiligt werden sollten“, so Malzahn.
Daten zu Behandlungsfehlern gefordert
Der Medizinische Dienst Bund plädiert zudem Daten zu Behandlungsfehlern in das Portal mit aufzunehmen. Dazu sollte die Anzahl besonders schwerwiegender vermeidbarer Schadensereignisse wie zum Beispiel Patienten- und Seitenverwechslungen und unabsichtlich zurückgebliebenes OP-Material (sogenannte Never Events) gehören.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisierte den Entwurf weiterhin und nannte ihn heute eine „Mogelpackung“. Es verkaufe alten Wein in neuen Schläuchen, denn die Daten, die veröffentlicht werden sollen, würden bereits im Internet präsentiert, so der DKG-Vorsitzende, Gerald Gaß.
Das Transparenzverzeichnis soll künftig Fallzahlen von Leistungen (differenziert nach 65 Leistungsgruppen), vorgehaltenes ärztliches und pflegerisches Personal im Verhältnis zum Leistungsumfang, Komplikationsraten für ausgewählte Eingriffe sowie eine Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level) veröffentlichen.
Manche dieser Daten existieren bereits, andere wie beispielsweise die Zahl des ärztlichen Personals müssten die Krankenhäuser zusätzlich erheben und quartalsweise an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) übermitteln.
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