Trotz Kostenbremse: Pflege im Heim wird immer teurer

Berlin – Der Umzug ins Pflegeheim bringt für viele Bewohner nicht nur psychische, sondern auch große finanzielle Belastungen mit sich. Je nach Region, Lage und Ausstattung sind – zusätzlich zu den Zahlungen der Pflegeversicherung – Eigenbeteiligungen von 4.000 Euro im Monat längst keine Ausnahme mehr. Viele Bewohner sind in die Sozialhilfe gerutscht, weil sie ihre Anteile nicht mehr zahlen können.
Das Pflegeheim als Armutsfalle? Trotz der von der Politik beschlossenen Kostenbremse hält der Trend zu steigenden Eigenbeiträgen auch aktuell an. Allerdings fällt die Steigerung nach einer heute veröffentlichten Übersicht des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) geringer aus als im Vorjahreszeitraum.
Laut Analyse stieg die bundesweite durchschnittliche monatliche Eigenbeteiligung für Pflegebedürftige im ersten Aufenthaltsjahr zum 1. Januar auf 2.576 Euro pro Monat. Das waren 165 Euro mehr als Anfang 2023. Im zweiten Aufenthaltsjahr zahlen Pflegebedürftige aktuell 2.370 Euro im Monat aus eigener Tasche, also 187 Euro mehr als ein Jahr zuvor.
Im dritten Aufenthaltsjahr müssen Bewohner durchschnittlich 2.095 Euro aus dem eigenen Portemonnaie bestreiten – ein Plus von 140 Euro. Ab dem vierten Aufenthaltsjahr schlägt der Pflegeheimplatz mit 1.750 Euro Eigenbeteiligung zu Buche. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 79 Euro mehr.
Regional gibt es der Auswertung zufolge große Unterschiede. Am höchsten waren die selbst zu tragenden Kosten im Saarland mit im Schnitt 2.981 Euro pro Monat im ersten Jahr. Es folgten Baden-Würtemberg (2.907 Euro) und Nordrhein-Westfalen (NRW, 2.892 Euro). Am günstigsten waren Heimplätze in Sachsen-Anhalt mit durchschnittlich 2.017 Euro im Monat im ersten Aufenthaltsjahr.
Um das Abrutschen in die Sozialhilfe zu verhindern, hatte die Bundesregierung 2022 eine Kostenbremse für die pflegebedingten Eigenbeiträge eingeführt. Diese Beträge wurden zum 1. Januar angehoben: Sie betragen nun im ersten Aufenthaltsjahr 15 Prozent (vorher fünf Prozent), im zweiten Jahr 30 Prozent (vorher 25 Prozent), im dritten Jahr 50 Prozent (vorher 45 Prozent) und im vierten Jahr 75 Prozent (vorher 70 Prozent).
Die Pflegeversicherung trägt – anders als die Krankenversicherung – nur einen Teil der Kosten. Heimbewohner müssen einen Eigenanteil für die reine Pflege leisten. Er stiegt um 238 Euro auf 1.377 Euro. Dazu kommen dann noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung sowie für Investitionen. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind durchschnittlich um 64 Euro monatlich auf 921 Euro angestiegen. Die Investitionskosten haben sich für Pflegebedürftige um 13 Euro auf 485 Euro monatlich erhöht.
„Die Erhöhung spiegelt die gestiegenen Personal- und Sachkosten wider“, sagte die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Die höheren Zuschüsse der Pflegekassen, die rund fünfeinhalb Milliarden Euro für 2024 betrügen, kompensierten den Anstieg nur zum Teil. Elsner appellierte an die Bundesländer, ihr Versprechen zu halten, die Investitionskosten zu übernehmen. Das würde die Pflegebedürftigen um aktuell 485 Euro monatlich entlasten.
Auch eine heute veröffentlichte Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) bestätigte den Trend steigender Eigenbeiträge, wenn auch mit leicht anderen Zahlen. Im Vergleich zu 2022 habe es bei den pflegebedingten Zuzahlungen einen Anstieg von 19,2 Prozent gegeben, heißt es.
Trotz der Begrenzung des Eigenanteils liege die durchschnittliche Gesamtbelastung inzwischen wieder auf dem Niveau des Jahres 2021, also vor der Einführung der Zuschläge durch die Politik, heißt es.
Die AOK-Analyse zeigt, dass die Bewohner Ende 2023 von der Pflegeversicherung durchschnittlich 569 Euro pro Monat für ihre pflegebedingten Eigenanteile erstattet bekamen. Durchschnittlich 874 Euro mussten sie selbst für die Pflege zuzahlen, hinzu kamen im Schnitt 909 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 484 Euro für Investitionskosten.
„Insgesamt ist der Trend zu immer höheren Eigenanteilen ungebrochen“, betonte Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege beim WIdO. „Schon jetzt ist absehbar, dass die Kosten für die Pflege im Heim weiter steigen werden.“
Angesichts der erneut gestiegenen Kosten, die Pflegebedürftige für einen Platz im Pflegeheim tragen, fordert der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) die Politik auf, zur Seriosität zurückzukehren. Dazu gehört, die Probleme in der Altenpflege endlich anzugehen.
„Jedes Mal, wenn der Verband der Ersatzkassen (vdek) höhere Eigenanteile meldet, reagiert die Politik alarmiert“, sagte AGVP-Präsident Thomas Greiner. „Dabei war schon bei der Konzertierten Aktion Pflege klar, dass es die begrüßenswerte Erhöhung der Löhne für Pflegekräfte nicht zum Nulltarif geben kann.“
Das Trio Giffey-Spahn-Heil habe seinerzeit vehement bestritten, dass die Tariftreue sich auf den Geldbeutel der Pflegebedürftigen auswirken müsse, dafür würde die Regierung schon sorgen. „Das war wie zu erwarten falsch und nun haben wir die Bescherung. Leider hat sich dieser Politikstil fortgesetzt. Bis heute gilt in der Pflegepolitik: Die Politik bestellt und wenn die Rechnung kommt, wird die Zeche geprellt“, sagte Greiner.
Aus seiner Sicht sind eine Generalüberholung der Pflegefinanzierung und eine wirksame Begrenzung der Eigenanteile notwendig. „Pflegebedürftige müssen sich wieder darauf verlassen können, dass sich in ihrer verletzlichsten Lebensphase starke Pflegeeinrichtungen um sie sorgen – ohne, dass sie, wenn sie die Pflegeplatzlotterie gewinnen, ihr Hab und Gut verlieren.“
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