Umfrage: Krankenhausärzte im Norden massiv überlastet

Kiel – Die Arbeitsbedingungen der meisten Krankenhausärzte in Schleswig-Holstein sind nach einer Umfrage im Auftrag des Marburger Bundes miserabel. Zu wenig Personal, viel zu lange Arbeitszeiten, schlechte Organisation und zu viel Bürokratie seien die Hauptgründe für Überlastung und Unzufriedenheit, fasste der Vorsitzende des Landesverbandes der Ärztegewerkschaft, Henrik Herrmann, heute in Kiel die Ergebnisse zusammen. 89 Prozent der angestellten Ärzte fühlen sich laut Umfrage wegen Personalmangels und zunehmender Arbeitsverdichtung überlastet.
Mehr als jeder zweite Arzt arbeitet demnach mehr als 48 Stunden in der Woche, jeder sechste sogar mehr als 60 Stunden. Zwei Prozent gaben an, mehr als 80 Stunden pro Woche zu arbeiten. „Überlange Arbeitszeiten gefährden nicht nur die Gesundheit der Ärztinnen und Ärzte, sondern können auch ein Sicherheitsrisiko für die Patienten darstellen“, warnte Herrmann. Kostendruck und eine dünne Personaldecke könnten keine Entschuldigung dafür sein, gesetzliche Vorschriften zu missachten.
Ein Viertel der befragten Ärzte gab an, die tatsächlichen Arbeitszeiten würden nicht einmal erfasst. Stechuhren gebe es nur bei 13 Prozent. Jeder vierte Arzt erklärte, Überstunden würden weder vergütet noch mit Freizeit ausgeglichen. Die Ärztegewerkschaft forderte die staatlichen Arbeitschutzbehörden auf, die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften in Krankenhäusern regelmäßig zu überprüfen.
Für die Umfrage wurde zwischen Oktober und Dezember 3.700 angestellte Ärzte in 113 Einrichtungen im Norden angeschrieben, die Rücklaufquote betrug 42 Prozent. In Schleswig-Holstein gibt es rund 8.000 angestellte Ärzte. Mehr als jeder zweite ist nach Angaben der Ärztegewerkschaft Mitglied des Marburger Bundes.
„Die Arbeitsbedingungen haben sich im Vergleich zu einer Umfrage von 2015 weiter verschlechtert“, sagte Herrmann. Am meisten fühlten sich junge Ärzte (93 Prozent) überlastet, gefolgt von stellvertretenden Chefärzten (90), Fachärzten (87) und Oberärzten (86). Immer weniger Klinikärzte seien bereit, die Dauerbelastungen hinzunehmen.
Als weiterer Mangel würden gerade von jungen Ärzten die fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten durch ihre Arbeitgeber kritisiert. Mehr als zwei Drittel der Ärzte (70 Prozent) gaben an, dass an ihrer Klinik die Struktur für die Weiterbildung fehle. Ebenso kritisch fällt die Antwort auf die Frage aus, ob die geforderten Weiterbildungsinhalte ausreichend vermittelt werden. Zwei Drittel (57 Prozent) verneinen diese Frage.
Die Ausrichtung der Krankenhäuser allein nach der Wirtschaftlichkeit ist nach Ansicht des Marburger Bundes falsch. Stattdessen müssten wieder ethische Kriterien wie das Wohl des Patienten maßgeblich sein.
In einer ersten Reaktion auf die Umfrage erklärte Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD), die festgestellte Unzufriedenheit in Kliniken sei „nicht akzeptabel“. Kliniken und Ärzte seien gefordert, gemeinsam die Ursachen zu analysieren und für bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken zu sorgen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels würden Kliniken zukünftig im Wettbewerb um Fachkräfte nur punkten können, wenn die Arbeitsbedingungen gut seien, betonte sie.
Der CDU-Abgeordnete Karsten Jasper nannte die Zahlen ein Alarmsignal. Fachkräftemangel sei eine Hauptursache für die Überlastung. Auch im Interesse der Patienten müsse alles für eine noch bessere Nachwuchsgewinnung im Gesundheitswesen und der Pflege getan werden.
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