Politik

Unterstützung für Extrem-Früh­chen-Station in Neubrandenburg

  • Freitag, 13. Oktober 2023
/Tobilander, stock.adobe.com
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Berlin/Neubrandenburg – Der Bundestag hat einstimmig beschlossen, dass sich die Bundesregierung mit der Zukunft der Station für Extrem-Frühgeborene in Neubrandenburg befassen soll. Eine an das Parlament ge­richtete Petition zur Fortführung der Spezialeinrichtung am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum wurde mit den Stimmen aller Fraktionen an die Regierung überwiesen.

„Es liegt nun an uns als Politik, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Wir sind das den Eltern und den Extrem-Frühchen im ländlichen Raum schuldig“, sagte der Greifswalder Bundestags-Abgeordnete Erik von Malottki unmittelbar vor der Abstimmung. Der SPD-Politiker und Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dankten den Initiatoren der von etwa 100.000 Menschen unterzeichneten Petition für ihr Engage­ment.

Für die Neubrandenburger Klinik gilt seit Beginn dieses Jahres ein Behandlungsverbot für Neugeborene mit weniger als 1.250 Gramm. Wegen der hohen Kosten solcher Stationen und der notwendigen Sicherung einer hohen Versorgungsqualität schreiben Krankenkassen und Verbände eine Mindestfallzahl vor.

Weil in Neubrandenburg aber die geforderte Anzahl von 25 Fällen pro Jahr nicht erreicht wurde, verlor das Krankenhaus die Einstufung als „Perinatalzentrum Level 1“ . Gegen das damit verbundene Behandlungsverbot für Extrem-Frühchen gab es massive Proteste. Nach den Worten Malottkis droht bundesweit 31 Kliniken wegen geringer Fallzahlen ein ähnliches Schicksal.

Bei einer Anhörung im Bundestagspetitionsausschuss Ende März hatte Gesundheitsstaatssekretär Edgar Franke (SPD) die Fallzahlregelung verteidigt. Studien würden belegen, dass es für Patienten sicherer sei, wenn jährlich eine gewisse Mindestzahl an ähnlichen Fällen behandelt werde.

Der Leiter der Neubrandenburger Kinderklinik, Sven Armbrust, hielt dem entgegen, dass die Sterblichkeit bei Frühchen mit weniger als 1.250 Gramm Geburtsgewicht auch in der bestehenden Klinikstruktur im Nordosten gesunken sei. „Wir sind besser als Kanada oder Schweden, wo die Zentralisierung noch weiter vorangeschritten ist“, sagte er.

Im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum wurden den Angaben zufolge im vergangenen Jahr zehn Extrem-Frühchen versorgt. Wenn das Behandlungsverbot bestehen bleibt, müssen Eltern sehr weite Entfernungen nach Berlin, Rostock oder Schwerin in Kauf nehmen. Auch Greifswald, das weiterhin eine Ausnahmegenehmigung hat, droht wegen der bestehenden Fallzahlregelung langfristig die Schließung.

Diesem Beschluss geht eine Petition voraus, der der zuständige Ausschuss bereits zugestimmt hatte. In dem Beschluss, der bislang nicht veröffentlicht wurde, weisen die Mitglieder des Petitionsausschusses aber auch darauf hin, dass die Bundesländer im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversor­gung (GVWG) aus dem Jahr 2021 von den festgelegten Mindestmengen absehen können.

Dies könne geschehen, wenn die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährdet wäre. Die Abweichung von Mindestmengen seitens der Landesplanungsbehörden sei aber nur möglich, wenn die Landesverbände der Krankenkassen gemeinsam und einvernehmlich der Ausnahmeentscheidung zu­stimmen. Zusätzlich sollen die Länder ihre Entscheidung gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie dem Bundesgesundheitsministerium begründen.

Der G-BA hatte die Mindestmenge für Frühchen unter 1.250 Gramm 2019 beschlossen. Ab dem 1. Januar steigt sie auf 25 Fälle pro Jahr. Im Juli diesen Jahres hatte der G-BA den Antrag der Länder abgelehnt, die Mindestmenge auszusetzen. In den vergangenen Wochen mussten die Krankenhäuser ihre Prognosen für die Fallzahlen des kommenden Jahres abgeben. Aus verschiedenen Bundesländern wird derzeit Druck ausgeübt, dass die Mindestmenge zum Jahresbeginn 2024 greift.

Der G-BA hatte im März 2023 das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit einer Evaluation beauftragt, die die Versorgung von Früh- und Reifegeborenen unter 1.250 Gramm untersuchen sollte. Ein Zwischenbericht wird für Februar 2025 erwartet, ein Abschlussbericht für Juni 2027.

dpa/bee

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