USA: Anstieg der Darmkrebserkrankungen bei jungen Erwachsenen

Atlanta – Während der Darmkrebs in den USA bei älteren Erwachsenen immer seltener wird, ist die Inzidenz bei jungen Erwachsenen dramatisch angestiegen. Die nach 1990 Geborenen haben laut einer Studie im Journal of the National Cancer Institute (2017; 109: djw322) ein doppelt so hohes Risiko auf ein Kolonkarzinom und ein vierfach erhöhtes Risiko auf ein Rektumkarzinom wie ihre Eltern.
Die meisten Darmkrebserkrankungen treten im höheren Alter auf. Neun von zehn Patienten sind bei der Diagnose 50 Jahre oder älter. Die American Cancer Society empfiehlt deshalb allen Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr, alle zehn Jahre eine Koloskopie durchführen zu lassen (in Deutschland ab dem 55. Lebensjahr als Kassenleistung). Das Screening wird in den USA gut angenommen. Die Koloskopie erzielt durch die Entfernung von Adenomen gleichzeitig eine vorbeugende Wirkung. Dies könnte erklären, warum die Zahl der Darmkrebserkrankungen bei älteren Erwachsenen in den letzten Jahren abgenommen hat.
Dies wird auch in einer Analyse des Krebsregisters SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results) klar erkennbar, die Rebecca Siegel von der American Cancer Society in Atlanta und Mitarbeiter jetzt vorstellen: Seit Mitte der 1980er-Jahre ist die Inzidenz bei den über 55-Jährigen rückläufig. Der Effekt nimmt mit dem Alter zu: Bei den über 85-Jährigen ist im Fünfjahres-Zeitraum 1999–2013 die Inzidenz des Kolonkarzinoms um 5,2 Prozent und des Rektumkarzinoms um 4,1 Prozent gesunken.
Ganz anders ist die Entwicklung bei den jüngeren US-Amerikanern. In der Altersgruppe 20 bis 39 Jahre steigt die Inzidenz des Kolonkarzinoms seit Mitte der 1980er-Jahre um ein bis zwei Prozent pro Jahr. Bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 54 Jahren beträgt der Anstieg seit Mitte der 1990er-Jahre 0,5 bis ein Prozent pro Jahr.
Noch deutlicher ist der Anstieg beim Rektumkarzinom. Siegel ermittelte für die jüngste Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren einen stetigen Anstieg um drei Prozent pro Jahr. In der Altersgruppe zwischen 30 bis 39 Jahren setzte der gleiche Anstieg um drei Prozent pro Jahr etwa 1980 ein. Bei den 40- bis 54-Jährigen steigt die Inzidenz seit Mitte der 1990er-Jahre um zwei Prozent pro Jahr.
Das altersspezifische Erkrankungsrisiko auf ein Kolonkarzinom für den Jahrgang 1980 ist laut Siegel doppelt so hoch wie im Jahrgang 1950 (Inzidenzrate 2,12; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,91–2,36). Für das Rektumkarzinom ermittelte Siegel eine Verdreifachung (Inzidenzrate 3,06; 95-Prozent-Konfidenzintervall 2,71–3,47). In der jüngsten Gruppe der um 1990 Geborenen betragen die Inzidenzraten 2,40 (1,11–5,19) für das Kolonkarzinom und 4,32 (2,19–8,51) für das Rektumkarzinom. Die weiten Konfidenzintervalle sind Folge der insgesamt sehr geringen Erkrankungszahlen.
Die Ursachen kann die rein deskriptive Studie nicht klären. Dazu wären Fall-Kontroll-Studien notwendig, die die Erkrankungen mit bestimmten Risikofaktoren in Verbindung setzen. Die bekannten Risikofaktoren für Darmkrebs sind eine Adipositas, eine Ernährung mit wenig Ballaststoffen und häufigem Verzehr von verarbeitetem rotem Fleisch, hoher Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Tabakrauchen. Die meisten dieser Risikofaktoren sind in den letzten Jahren gerade bei jüngeren Menschen häufiger geworden.
Der Darmkrebs jüngerer Menschen, der in der Vergangenheit vor allem genetische Ursachen hatte (deren Prävalenz in den letzten Jahrzehnten vermutlich gleich geblieben ist), dürfte deshalb vermehrt auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen sein. Da eine Veränderung des Lebensstils nicht erkennbar ist, überlegt die American Cancer Society, die Altersgrenze für die Koloskopie zu senken.
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