Verbände fordern bessere Versorgung von Patienten mit Tracheostoma
Freiburg – Acht ärztliche Verbände und Gesellschaften haben in einem Positionspapier auf die „starke Zunahme aufwendiger häuslicher Krankenpflege bei Patienten mit Tracheostoma“ hingewiesen. Die Zahl dieser Patienten sei von circa 1.000 Fällen im Jahr 2005 auf derzeit vermutlich zwischen 15.000 und 30.000 Patienten angestiegen, heißt es in dem Papier. Die Versorgungskosten beliefen sich mittlerweile auf circa zwei bis vier Milliarden Euro pro Jahr.
Zum Hintergrund: Patienten mit chronischer Atmungsschwäche und Beatmungspflichtigkeit seien bis Mitte der 1980er-Jahre nahezu ausschließlich invasiv, also über ein Tracheostoma, beatmet worden, heißt es in dem Positionspapier. Ein Gerichtsurteil im Jahr 1999 habe dazu geführt, dass auch im ambulanten Bereich die Versorgungskosten von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden müssten. Hiermit habe sich die kostenintensive ambulante Intensivpflege in Deutschland etabliert.
„Mit Einführung der nichtinvasiven Beatmung über Mund-Nasen-Masken Ende der 1980er-Jahre hat sich die Situation in der außerklinischen Beatmung allerdings grundlegend verändert“, schreiben die Verbände und Gesellschaften. „Die meisten Betroffenen konnten nun im gewohnten Umfeld weiterleben, die Beatmung wird gegebenenfalls unter Hilfestellung einer Assistenzbetreuung sichergestellt.“ Im außerklinischen Bereich sei eine invasive Beatmung über ein Tracheostoma demnach nur bei wenigen Indikationen erforderlich; ihre Anwendung erfordere daher neben dem Patientenwillen zu dieser Maßnahme eine solide Begründung.
Die extreme Zunahme der Fälle mit invasiver Beatmung über Tracheostoma in den letzten zehn Jahren sei ganz überwiegend auf Patienten mit Versagen der Beatmungsentwöhnung nach Akut-Intensivtherapie zurückzuführen. „Die Analyse einer großen Krankenkasse hat gezeigt, dass circa 85 Prozent der betroffenen Patienten direkt von der Akut-Intensivstation in den ambulanten Bereich entlassen werden“, heißt es in dem Positionspapier. „Viele der nach Intensivtherapie mit invasiver Beatmung in den ambulanten Bereich Entlassenen könnten erfolgreich entwöhnt werden, wenn sie auf nichtinvasive Beatmung umgestellt würden.“
„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Verordnung einer 24-stündigen aufwendigen häuslichen Krankenpflege wegen eines Tracheostomas mit oder ohne Beatmung in sehr vielen Fällen nicht notwendig ist, da keine Indikation für ein Tracheostoma beziehungsweise eine invasive außerklinische Beatmung besteht“, betonen die Unterzeichner. „Im Einzelfall stellt diese Situation formal betrachtet unter Umständen sogar einen Behandlungsfehler dar.“
Sie fordern „eine qualitätsgesicherte, leitliniengestützte medizinische Betreuung“ der betroffenen Patienten. Diese erfordere ein Versorgungsnetzwerk, das nicht nur die ambulante ärztliche Betreuung sicherstelle, sondern über einen primär sektorübergreifenden Ansatz auch die ärztlichen Experten aus spezialisierten Zentren einbeziehen müsse, um die Indikation für das persistierende Tracheostoma mit Kanüle kritisch zu prüfen.
Unterzeichnet wurde das Papier von der Deutsche interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der Deutsche Gesellschaft für Neuro-Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), dem Verband Pneumologischer Kliniken (VPK), dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und dem Deutschen Hausärzteverband.
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