Politik

Versandverbot für verschreibungs­pflichtige Medikamente unwahrscheinlich

  • Dienstag, 28. März 2017

Berlin – Das geplante Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente steht vor dem Aus. Diese Einschätzung vertraten Experten heute in der Berliner Runde des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Sie rechneten nicht damit, dass der Koalitionsausschuss, der morgen tagt, in dieser Frage noch eine Einigung erzielen wird – zumal die Ressorts Wirtschaft, Justiz und Finanzen europarechtliche Bedenken an­gemeldet und sich gegen ein Versandverbot ausgesprochen hatten. Damit reiche die Zeit nicht, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode zu Ende zu bringen.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) reagierte mit dem geplanten Versand­ver­bot auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der hatte im Oktober 2016 entschie­den, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung für verschreibungspflichtige Medika­men­te nicht für Versandapotheken aus dem Ausland gilt. Diese dürfen deshalb ihren Kun­den im Gegensatz zu deutschen Präsenzapotheken Rabatte einräumen. Durch ein generelles Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente will das BMG Wett­bewerbsnachteile für deutsche Apotheken verhindern.

„Wir unterstützen den Gesetzentwurf des BMG ohne Wenn und Aber“, sagte der Vor­sit­zende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker. Dass verschreibungspflichti­ge Arzneimittel in allen Apotheken zum selben Preis erhältlich seien, bedeute Sicherheit für Patienten, Krankenkassen und Apotheker gleichermaßen. Sollte die Arzneimittel­preis­bin­dung fallen, gefährde das Apotheken insbesondere in strukturschwachen Re­gio­nen. „Ich hoffe auf Einsicht und darauf, dass der Koalitionsausschuss den Gesetz­entwurf des BMG aufgreift“, erklärte Becker. Wettbewerb dürfe nicht über den Preis geführt, sondern müsse über Qualität und Beratung ausgetragen werden.

Unterstützung erhielt Becker von Jörg Wieczorek. „Wir stehen zu 100 Prozent zum ge­plan­ten Versandverbot“, erklärte der BAH-Vorstandsvorsitzende. Einen Preiswettbe­werb würden 20 Prozent der Apotheken nicht überstehen, prognostizierte er: „Ich sehe ver­schreibungspflichtige Arzneimittel lieber in der Hand des Apothekers als in der des Post­boten.“

Vergütung der Apotheken muss auf den Prüfstand

Für den Erhalt des bewährten Systems der flächendeckenden Versorgung mit Präsenz­apo­theken, aber gegen ein Versandverbot sprach sich Andreas Storm, Vorstands­vor­sit­zender der DAK, aus. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse habe der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Marktpotenzial von zwei bis drei Prozent. Das gefährde nicht das System der Arzneimittelversorgung.

Statt über ein Versandverbot nachzudenken, forderte Storm eine veränderte Vergütung in den Apotheken. Sie solle sich weniger an der Zahl der abgegebenen Packungen, als vielmehr an Qualität und Beratung orientieren. Um die flächendeckende Versorgung auch in strukturschwachen Regionen zu gewährleisten, müsse man zudem wie in der Krankenhausversorgung über Sicherstellungszuschläge nachdenken. „Das wäre ein Vorschlag für eine große Reform nach der Bundestagswahl“, sagte Storm.

Gegen ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sprach sich auch Christian Buse aus, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken. „Ein Verbot ist das schlechteste aller Mittel“, sagte er. Nach 13 Jahren Arzneiversand­han­del in Deutschland habe dieser gerade einmal einen Anteil von einem Prozent am Ge­samtumsatz. Das habe die gewachsenen Strukturen nicht verändert. Die Regierung sei gut beraten, ihren Gesetzentwurf, der im Übrigen aus europarechtlicher Sicht keiner­lei Aussicht auf Bestand habe, nicht weiterzuverfolgen.

Eigene Alternativvorschläge zu einem Versandverbot hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt. Die SPD will Boni in Höhe von bis zu maximal einem Euro erlauben. Die Grünen favorisieren ein Modell, wonach die geltenden Preise Höchstpreise sind.

HK

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