Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente unwahrscheinlich
Berlin – Das geplante Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente steht vor dem Aus. Diese Einschätzung vertraten Experten heute in der Berliner Runde des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). Sie rechneten nicht damit, dass der Koalitionsausschuss, der morgen tagt, in dieser Frage noch eine Einigung erzielen wird – zumal die Ressorts Wirtschaft, Justiz und Finanzen europarechtliche Bedenken angemeldet und sich gegen ein Versandverbot ausgesprochen hatten. Damit reiche die Zeit nicht, das Gesetzgebungsverfahren noch in dieser Legislaturperiode zu Ende zu bringen.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) reagierte mit dem geplanten Versandverbot auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der hatte im Oktober 2016 entschieden, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente nicht für Versandapotheken aus dem Ausland gilt. Diese dürfen deshalb ihren Kunden im Gegensatz zu deutschen Präsenzapotheken Rabatte einräumen. Durch ein generelles Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente will das BMG Wettbewerbsnachteile für deutsche Apotheken verhindern.
„Wir unterstützen den Gesetzentwurf des BMG ohne Wenn und Aber“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker. Dass verschreibungspflichtige Arzneimittel in allen Apotheken zum selben Preis erhältlich seien, bedeute Sicherheit für Patienten, Krankenkassen und Apotheker gleichermaßen. Sollte die Arzneimittelpreisbindung fallen, gefährde das Apotheken insbesondere in strukturschwachen Regionen. „Ich hoffe auf Einsicht und darauf, dass der Koalitionsausschuss den Gesetzentwurf des BMG aufgreift“, erklärte Becker. Wettbewerb dürfe nicht über den Preis geführt, sondern müsse über Qualität und Beratung ausgetragen werden.
Unterstützung erhielt Becker von Jörg Wieczorek. „Wir stehen zu 100 Prozent zum geplanten Versandverbot“, erklärte der BAH-Vorstandsvorsitzende. Einen Preiswettbewerb würden 20 Prozent der Apotheken nicht überstehen, prognostizierte er: „Ich sehe verschreibungspflichtige Arzneimittel lieber in der Hand des Apothekers als in der des Postboten.“
Vergütung der Apotheken muss auf den Prüfstand
Für den Erhalt des bewährten Systems der flächendeckenden Versorgung mit Präsenzapotheken, aber gegen ein Versandverbot sprach sich Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK, aus. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse habe der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Marktpotenzial von zwei bis drei Prozent. Das gefährde nicht das System der Arzneimittelversorgung.
Statt über ein Versandverbot nachzudenken, forderte Storm eine veränderte Vergütung in den Apotheken. Sie solle sich weniger an der Zahl der abgegebenen Packungen, als vielmehr an Qualität und Beratung orientieren. Um die flächendeckende Versorgung auch in strukturschwachen Regionen zu gewährleisten, müsse man zudem wie in der Krankenhausversorgung über Sicherstellungszuschläge nachdenken. „Das wäre ein Vorschlag für eine große Reform nach der Bundestagswahl“, sagte Storm.
Gegen ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sprach sich auch Christian Buse aus, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken. „Ein Verbot ist das schlechteste aller Mittel“, sagte er. Nach 13 Jahren Arzneiversandhandel in Deutschland habe dieser gerade einmal einen Anteil von einem Prozent am Gesamtumsatz. Das habe die gewachsenen Strukturen nicht verändert. Die Regierung sei gut beraten, ihren Gesetzentwurf, der im Übrigen aus europarechtlicher Sicht keinerlei Aussicht auf Bestand habe, nicht weiterzuverfolgen.
Eigene Alternativvorschläge zu einem Versandverbot hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt. Die SPD will Boni in Höhe von bis zu maximal einem Euro erlauben. Die Grünen favorisieren ein Modell, wonach die geltenden Preise Höchstpreise sind.
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