Vertragsärzte rechnen mit längeren Wartezeiten

Berlin – Die rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten müssen sich nach Ansicht der Vertragsärzte im neuen Jahr auf deutlich längere Wartezeiten für einen Arzttermin einstellen. Die Wartezeiten könnten sich bis auf zweieinhalb Monate verlängern, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der Bild.
„2024 wird das Jahr der langen Wartezeiten. Aktuell bekommt jeder zweite Patient unmittelbar einen Termin, nur wenige warten drei oder mehr Wochen auf einen Facharzttermin“, sagte Gassen. „Aber wenn sich nichts ändert, bewegen wir uns mit großen Schritten auf Schweden zu. Dort wartet man auf Facharzttermine bis zu 72 Tage.“
Als Gründe nannte Gassen den immer größeren Personalmangel und eine fehlende finanzielle Ausstattung vieler Praxen. „Wir laufen in ein ganz schwieriges Jahr 2024, wenn Karl Lauterbach weiter blockiert.“ Gassen wies darauf hin, Lauterbach hätte den Hausärzten zugesagt, dass ab 2024 alle ihre Leistungen bezahlt werden. „Aber er hält offensichtlich sein Versprechen nicht", sagte Gassen. Jede dritte bis vierte Praxis werde wohl künftig nur noch an vier Tagen öffnen, weil Personal und Geld fehlten.
Unterdessen berichtete die Ärzte-Zeitung, dass die Ärzteproteste zwischen den Jahren keine extremen Wartezeiten in Notdienstpraxen ausgelöst hätten. Die Zeitung beruft sich auf eine eigene Umfrage bei mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen, die für den Betrieb von Bereitschaftsdienstpraxen zuständig sind.
So meldete etwa die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) ein höheres Anrufaufkommen bei der bundesweit gültigen Nummer des Bereitschaftsdienstes 116 117. „Aktuell gehen wir deshalb nicht davon aus, dass es in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu Einschränkungen infolge des Streikaufrufs durch den Virchowbund gekommen ist – auch nicht im ärztlichen Bereitschaftsdienst“, sagte ein Sprecher der KV Nordrhein.
Über „teilweise und zeitweise längere Wartezeiten in den Bereitschaftsdienstzentralen“ berichtete ein Sprecher der KV Hessen. Genaue Zahlen lägen aber noch nicht vor. Fast eine Verdoppelung der Anzahl der Konsultationen über die Nummer 116 117 meldete die KV Brandenburg, wobei ein Sprecher dort einräumte, nicht sagen zu können, ob der Anstieg wie immer Zwischen den Jahren erfolgt sei oder aufgrund der Proteste und Praxisschließungen gekommen sei.
Ärzte wollten mit ihrer Streik-Aktion auf Probleme in den Praxen aufmerksam machen. Beklagt werden eng begrenzte Budgets bei den Honoraren, zu viel Bürokratie und Überlastung. Am 9. Januar soll es ein Gespräch zur ambulanten Versorgung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) geben. Ärzteverbände hatten mit weiteren Streikaktionen gedroht.
Der KVNO-Vorstandsvorsitzende, Frank Bergmann, und sein Stellvertreter, Carsten König, betonten heute, die offenbar fest verankerte Auffassung der Politik, dass das ambulante System ausreichend finanziert sei, lasse veränderte Realitäten außer Acht – zum Beispiel, dass die Kosten in den Praxen erheblich gestiegen sind.
Insbesondere die Aufwendungen für qualifiziertes Personal und die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses sowie die Inflation belasteten die Budgets der Praxen ganz erheblich. Ohne angemessene Vergütung überlege sich der Nachwuchs – egal ob Medizinische Fachangestellte (MFA) oder Medizinerinnen und Mediziner – sehr gründlich, ob die Rahmenbedingungen für ein Erwerbsleben in anderen Branchen besser sind als die Selbständigkeit oder die Anstellung in der ambulanten Praxis.
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