Vertragsärzte wollen Digitalisierung, die nützt und funktioniert

Berlin – Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in Deutschland protestieren im Rahmen ihrer Initiative „Praxenkollaps – Praxis weg, Gesundheit weg“ gegen Fehlentwicklungen bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie meldeten sich heute aus allen Teilen des Landes zu Wort.
„Die Digitalisierung der ambulanten Versorgung muss die Arbeitsabläufe in den Praxen sinnvoll unterstützen und entlasten, damit wieder mehr Zeit für Diagnostik und Behandlung bleibt“, fordert die KV Mecklenburg-Vorpommern.
Die KV Sachsen-Anhalt betonte, dass Ärzte und Psychotherapeuten den neuen Technologien grundsätzlich offen gegenüberstünden. Aber bislang würden digitale Anwendungen wie Stammdatenabgleich, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder elektronisches Rezept hauptsächlich bei Kassen und Arbeitgebern für effizientere Verwaltungsabläufe sorgen und damit zu Einsparungen in Millionenhöhe führen. „Der Aufwand hingegen liegt vor allem in den Praxen“, kritisierte der KV-Vorstandsvorsitzende Jörg Böhme.
Auch die KV Thüringen sieht in der Digitalisierung große Potenziale, die Patientenversorgung zu verbessern. „Doch statt diese zu heben, trägt die von der Bundespolitik verordnete Digitalisierung per Brechstange unzählige Probleme in die Praxen. Paradox: Ärzten und Psychotherapeuten bleibt weniger Zeit für die Behandlung der Patienten als zuvor“, so die Kritik der KV.
Sinnvolle Rahmenbedingungen für die digitale Weiterentwicklung fordert Holger Rostek, IT-Vorstand der KV Brandenburg. „Erstens muss die Technik reibungslos funktionieren. Zweitens darf der Gesetzgeber gerade bei noch anfälliger Technik nicht mit Sanktionen drohen. Und drittens muss die Refinanzierung der notwendigen Hard- und Software für die Praxen kostendeckend und unbürokratisch erfolgen“, so seine Forderungen. Statt einer bürokratischen Einzelvergütung der vielen notwendigen Komponenten schlägt die KV dafür eine Quartalspauschale in Höhe von 8.000 bis 10.000 Euro für alle Praxen vor.
Eine Quartalspauschale hält auch die KV Schleswig-Holstein für sinnvoll. „Finanziert werden könnte die Pauschale aus den Einsparpotenzialen, die die Digitalisierung den Krankenkassen beschert“, hieß es aus der KV. Die Höhe der Pauschale muss laut der KV Hessen so hoch angesetzt sein, dass sie alle Aufwände für die Technik aber auch für die Schulung des Personals abdeckt.
Die KV Bremen bemängelte, die Komponenten für die Praxen seien oft unausgereift. „Die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung bedeutet für die Praxen Plug-and-Pray statt Plug-and-Play“, erklärte der KV-Vorstand Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans.
„Es muss für alle Beteiligten durch die Digitalisierung einen erkennbaren Mehrwert durch eine nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik geben“, forderten auch die Vorstände der KV Baden-Württemberg (KVBW), Karsten Braun und Doris Reinhardt.
Laut der KV Hamburg leiden die Praxen unter abstürzenden Systemen und politischer Gängelung. „Dadurch entsteht Frust – und es geht viel wertvolle Behandlungszeit verloren“, kritisierte Caroline Roos, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KV Hamburg.
Die KV Nordrhein fordert daher „konkrete Leistungsbestimmungen für die Anbieter informationstechnischer Systeme“. Zwingend erforderlich sind laut dem KV Vorsitzenden Frank Bergmann vor der Einführung zudem flächendeckende Tests, die einen effizienten Praxisablauf nachweisen. „Fehleranfällige Hard- und Software kosten Zeit, Geld und Nerven und führen letztlich zu Frust und Ablehnung“, hieß es aus der KV.
„Die Technik muss schlicht funktionieren. Unausgereifte IT-Produkte kosten Zeit, Geld, Nerven und führen sicherlich nicht zur gewünschten Akzeptanz“, erklärte auch der Vorstand der KV Westfalen-Lippe, Thomas Müller.
Die KV Niedersachsen formulierte, das Ziel der Politik müsse es sein, Ärzte und Psychotherapeuten als Verfechter und Multiplikatoren der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu gewinnen. „Sonst verabschieden sich immer mehr ältere Ärztinnen und Ärzte vorzeitig aus dem System und jüngere wagen erst gar nicht den Schritt in die ambulante Versorgung“, sagte die Digitalisierungsexpertin der KV, Nicole Löhr.
Die KV Bayerns betonte die grundlegende Offenheit der Vertragsärzte und -psychotherapeuten für die Digitalisierung. „Der ambulante Sektor kann und wird ein Vorreiter in Bezug auf die Digitalisierung sein, wenn die politischen Rahmenbedingungen passen“, sagte der Vorstand der KV, das sind Christian Pfeiffer, Peter Heinz und Claudia Ritter-Rupp. Praxen erwarteten insbesondere durch die Möglichkeiten des digitalen Austausches von Daten, Unterlagen und Bildern einen großen Mehrwert und eine deutliche Aufwandsentlastung.
Die KV Berlin betonte, bisher hätten digitale Anwendungen wie Stammdatenabgleich oder elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hauptsächlich bei Krankenkassen und Arbeitgebern für effizientere Verwaltungsabläufe gesorgt und damit zu Einsparungen in Millionenhöhe geführt. Der Aufwand hingegen liege vor allem in den Praxen. Sie mahnte an, die Digitalisierung der ambulanten Versorgung müsse die Arbeitsabläufe in den Praxen sinnvoll unterstützen und entlasten, damit wieder mehr Zeit für Diagnostik und Behandlung bleibe.
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