Befürchteter Praxenkollaps: Der Protest geht weiter

Berlin – Auch nach dem Krisentreffen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), Verbänden und einzelnen Niedergelassenen vom vergangenen Freitag in Berlin reißt der Protest nicht ab.
Unter dem Motto „#PraxenKollaps“ hatten die Ärzte einen Forderungskatalog samt Lösungsvorschlägen erstellt und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgefordert, dazu spätestens bis zum 13. September 2023 Stellung zu nehmen.
„Es kann so nicht weitergehen in der ambulanten medizinischen Versorgung. Ansonsten droht ein Praxenkollaps und damit massive Einschränkungen in der Behandlung der Patientinnen und Patienten in diesem Land“, erklärte der Vorstand der KV Bayerns, das sind Christian Pfeiffer, Peter Heinz und Claudia Ritter-Rupp, heute.
Die Krisensitzung vom vergangenen Freitag habe auch gezeigt, dass es keinesfalls nur um mehr Geld für die Praxen gehe, sondern vielmehr auch um eine ausreichende Anerkennung der Arbeit der Ärzte, Psychotherapeuten und medizinischen Fachangestellten, betonte der KV-Vorstand.
Auf die sieben auf dem Treffen beschlossenen Forderungen wies der Vorstand der KV Schleswig-Holstein mit Nachdruck hin. Zu den zentralen Punkten gehören eine tragfähige Finanzierung, die Abschaffung der Budgetierung und der Regresse sowie der Bürokratieabbau.
Eine rasche Umsetzung forderte heute die KV Baden-Württemberg. „Die Politik und der GKV-Spitzenverband sind jetzt am Zug, die Bedingungen für die ambulante Versorgung zu verbessern, damit ein Praxenkollaps verhindert wird“, sagte der KV-Vorstandsvorsitzende Karsten Braun.
Der Vorstand der KV Hamburg betonte, Politik und Krankenkassen „wissen genau“, unter welchem wirtschaftlichen Druck die Praxen stünden. „Angesichts hoher Inflation, steigender Energie- und Personalkosten sowie der weiterhin bestehenden Tatsache, dass ein Großteil der erbrachten Leistungen einfach nicht vergütet wird, ist das Angebot der Kassen, die Versorgungsfinanzierung um 2,1 Prozent zu erhöhen, einfach nur frech“, sagte der KV-Vorstandsvorsitzende John Afful.
„Wir haben viel zu lange hingenommen, dass uns die Gesundheitspolitik in Berlin am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Damit ist jetzt Schluss“, betonte Armin Beck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Hessen.
Nach dem Motto „Nur gemeinsam sind wir stark“ plädierte der Vorstand der Ärztekammer Westfalen-Lippe für gemeinsame Protestaktionen von Niedergelassenen zusammen mit Ärztinnen und Ärzten aus der stationären Versorgung.
Die Ärzteschaft dürfe sich im Bestreben um bessere Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung nicht auseinanderdividieren lassen, so die einhellige Meinung im Vorstand der Kammer.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte in einer ersten Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) darauf verwiesen, dass im Bereich der Hausärzte eine Aufhebung der Budgets „durchaus denkbar“ sei.
„In den Praxen brauchen wir weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung, die funktioniert“, so Lauterbach. Nach seiner Einschätzung gefährde aber nicht das Einkommen der Ärzte und Psychotherapeuten die Versorgung.
Dies Äußerung hat beim Virchowbund großen Unmut ausgelöst. „In allerfeinstem Kassensprech verwechselt er bewusst die Praxiserlöse mit den Arzteinkommen“, kritisiert der Vorsitzende des Verbandes, Dirk Heinrich.
Auf harte Verhandlungen mit der Politik und den Krankenkassen drängt der Bundesverband niedergelassener Fachärzte. Andernfalls sei „die letzte Chance verspielt, gemeinsam und geschlossen der Politik die Stirn zu bieten und die Abwicklung unserer inhabergeführten, selbständigen Praxen zu verhindern“, warnte der Vorsitzende des Verbandes, Wolfgang Bärtl.
Eine Neuausrichtung des Versorgungssystems forderte unterdessen der Hausärzteverband Nordrhein. „Es geht nicht um Honorare, sondern um die Frage, ob und wie zukünftig die Patienten medizinisch versorgt werden“, sagte Elke Cremer für den Vorstand des Verbandes. Immer weniger Arztpraxen müssten künftig eine immer größer werdende Patientenzahl medizinisch versorgen.
Die Zukunft gehöre daher der hausärztlichen Teampraxis. Konkret bedeute dies, ärztliche Aufgaben neu zu delegieren, die medizinischen Fachberufe aufzuwerten, Versorgungsaufgaben neu zu verteilen und Honorare entsprechend anzupassen. „Am Primärversorgungssystem geht der Weg nicht vorbei“, hieß es aus dem Verband.
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