Virchowbund beklagt destruktive Gesundheitspolitik

Berlin – Angesichts der derzeitigen „destruktiven Gesundheitspolitik“ sollten alle Arztpraxen ihr Angebot „an die neuen politischen und wirtschaftlichen Realitäten“ anpassen. Dazu rief heute der Virchowbund auf. Unbegrenzte Leistungen bei budgetierten Mitteln könne es nicht weiter geben, stellte Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes, klar.
Heinrich verwies hierzu unter anderem auf die Abschaffung der Neupatientenregelung, die aus Sicht der Niedergelassenen völlig unzureichenden Ergebnisse der Honorarverhandlungen, „praxenfeindliche Gesetze“, mangelnde Wertschätzung und Sanktionen.
In dem beschlossenen Leitantrag der Bundeshauptversammlung des Virchowbundes heißt es, da von Seiten der Politik derzeit keine Unterstützung zu erwarten sei, müsse „die niedergelassene Ärzteschaft sich selbst helfen“. Daher werden die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aufgefordert, das Praxisangebot den „wirtschaftlichen Realitäten anzupassen“.
Dies soll nicht nur die Vier-Tage-Woche in den Arztpraxen umfassen, die der Virchowbund bereits zu Jahresbeginn ins Spiel gebracht hatte. Es soll auch darum gehen, „Organisation und Leistungsangebot angesichts fehlender Mittel anzugleichen“.
Weiterhin solle der Einsatz von Telemedizin und Videosprechstunden gestärkt sowie Privateinnahmen und Selbstzahlerleistungen ausgebaut werden. Der Virchowbund fordert die Kassenärztlichen Vereinigungen zudem auf, die Honorarverteilungsmaßstäbe flächendeckend dem Budget anzupassen.
In weiteren Beschlüssen fordert der Virchowbund unter anderem die „umgehende und nachhaltige Entbudgetierung aller ärztlichen Fachgruppen“. Die Budgetierung verfehle ihren ursprünglichen Zweck und bewirke „nicht zu rechtfertigende Ungerechtigkeiten“.
Um Ungerechtigkeiten ging es auch in der Gesprächsrunde mit Bundestagspolitikern. Virchowbund-Chef Heinrich hatte zuvor von einer „Politik der Demotivation“ gesprochen – und diesbezüglich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein absichtsvolles Handeln vorgeworfen.
Aus seiner Sicht laufe die Versorgung immer mehr in Richtung der Krankenhäuser und „para-medizinischer Angebote“. In der Konsequenz drohe dann eine „weitgehend arztfreie Versorgung“ und „Staatsmedizin“ – dies gelte es im Sinne der Patienten zu verhindern.
Auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), sprach von einem „blinden Fleck“ der Gesundheitspolitik bezüglich der ambulanten Versorgung. Wesentliche Inhalte des Koalitionsvertrages zur Stärkung der Praxen, etwa die angekündigte Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich, seien bislang nicht umgesetzt worden.
Sowohl Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, als auch Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens (SPD) betonten, die zentrale Rolle der Vertragsärzte sei der Politik klar.
Beide riefen die niedergelassenen Ärzte auf, sich weiterhin konstruktiv einzubringen. Baehrens bezeichnete Vorwürfe eines gezielten politischen Handelns zum Schaden der Arztpraxen als „unangemessen“. Statt Lauterbach zu bekämpfen, sollten Gespräche gesucht werden.
Hierzu merkte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), an, dass Lauterbach aus seiner Sicht Kommunikation zwar anbiete, aber Inhalte und Vorschläge nicht wahr- und mitnehme.
Sein Eindruck sei, dass genau deshalb die niedergelassene Ärzteschaft vom Bundesgesundheitsminister „gar nichts mehr“ erwarte. Hannelore König, Präsident des Verbandes medizinischer Fachberufe (VMF), betonte ebenfalls, eine Kommunikation mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sei nicht möglich.
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