Ärzteschaft

Viele Arztpraxen sollen aus Protest geschlossen bleiben

  • Mittwoch, 27. Dezember 2023
/picture alliance, dpa, Peter Kneffel
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Berlin – Aus Protest gegen die aktuelle Gesundheitspolitik sind heute zahlreiche Arztpraxen in Deutschland geschlossen geblieben. Der Ärzteverband Virchowbund und weitere Berufsverbände hatten zwischen Weih­nachten und Neujahr zu Streiks aufgerufen.

„Wir geben unseren Medizinischen Fachangestellten in dieser Zeit frei – als Dankeschön für ihre harte Arbeit und als Ausgleich, weil sie bis heute keinen staatlichen Coronabonus erhalten haben", heißt es in dem Aufruf zu der Kampagne Praxis in Not.

Gestreikt wurde unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg und Bremen, aber auch in kleineren Städten und auf dem Land. Der Virchowbund konnte heute keine Angaben zur Zahl der beteiligten Praxen machen, weil der Streik dezentral organisiert werde. Man rechne aber mit bundesweit mehreren Zehntausend geschlossenen Praxen, erklärte eine Sprecherin.

Die Medizin werde „kaputtgespart“, die Arztpraxen würden „ausgeblutet“, so der Vorwurf der Berufsverbände an die Politik. Der ärztliche Bereitschafts­dienst unter der Nummer 116 117 bleibt aber aufrechterhalten. Da nach dem Protest das Wochenende und der Neujahrstag folgen, dürften die Praxen erst am 2. Januar wieder öffnen.

Der GKV-Spitzenverband reagierte mit Unverständnis. „Wenn die Ärzteschaft mit der Gesundheitspolitik über Kreuz liegt, dann ist es weder angemessen noch fair, die Patientinnen und Patienten vor geschlossenen Pra­xistüren stehen zu lassen. Und das gerade in einer Zeit, wo wir in Deutschland Spitzenwerte bei Atemwegs­erkrankungen haben“, sagte Verbandssprecher Florian Lanz.

Die Stiftung Patientenschutz kritisierte den Zeitpunkt der Aktionen. Stiftungsvorstand Eugen Brysch sagte der Rheinischen Post, selbst die Lokführergewerkschaft verzichte zwischen Weihnachten und Anfang des neuen Jahres auf Streiks. Deshalb sei es unverständlich, dass in Zeiten vieler Kranker zu Praxis­schließungen aufge­rufen wird.

Die Aktion der Ärzte treffe vor allem alte und schwache Menschen, warnte der Patientenschützer. Schließlich sei auch der ärztliche Bereitschaftsdienst in dieser Zeit stark eingeschränkt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeige jedoch „außer öffentlich wirksamer Verständnis­losigkeit“ keine Initiative, um die Aktionen zu stoppen.

Linken-Chefin Janine Wissler zeigte Verständnis für die Streiks und kritisierte Lauterbach. Dessen Aufforde­rung an die Hausärzte, die Patienten zwischen den Jahren nicht im Stich zu lassen, sei „unverschämt und wirkt wie blanker Hohn angesichts seiner zweijährigen Versäumnisse im Gesundheitsbereich“, sagte sie der Rheinischen Post. Lauterbach müsse sich an seine eigene ärztliche Ethik erinnern und die Forderungen im Gesundheitsbereich ernst nehmen.

Der Bundesvorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, hat den Streik niedergelassener Ärzte gegen die Gesundheitspolitik von Lauterbach verteidigt. Er beklagte heute im ZDF-Morgenmagazin überbordende Bürokratie.

„Hier muss endlich mal der Gordische Knoten durchschlagen werden, damit die Praxen entlastet werden von Dingen, die uns von den Patienten abhalten“, sagte Heinrich. „Denn unsere vordringlichste Aufgabe ist natür­lich, sich um die Menschen zu kümmern. Und dafür brauchen wir mehr Zeit und weniger Zeit für Papier.“

In vielen Praxen gebe es einen Aufnahmestopp, weil das Geld zur Behandlung fehle, erklärte Heinrich. Viele Ärzte gingen deswegen früher als geplant in Rente. Er bemängelte die Streichung der Neupatientenregelung zu Jahresbeginn, die Ärzten seit 2019 besondere finanzielle Anreize bot, damit sie neue Patienten aufnehmen und kurzfristig zusätzliche Termine anbieten. Nun würden für einen Euro an Leistungen für neue Patienten nur noch 70 Cent bezahlt.

Lauterbach will sich mit den Hausärzten im Januar zu einem Krisengipfel treffen, um über die beklagte Überlastung und die viele Bürokratie in den Praxen zu beraten.

afp/dpa

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