Virchowbund plädiert für bessere Patientensteuerung

Berlin – Der Virchowbund hat eine bessere Steuerung der Patienten im deutschen Gesundheitswesen gefordert, um einer Rationierung der Gesundheitsversorgung vorzubeugen. „Wenn wir die Patientinnen und Patienten nicht besser steuern, bekommen wir in Deutschland eine Warteliste auf Operationen und Praxistermine. Und das ist nichts anderes als eine Rationierung“, sagte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich, heute auf der Bundeshauptversammlung des Verbandes in Berlin.
Heinrich sprach sich für die Einführung unterschiedlicher Wahltarife bei den Krankenkassen aus. „Entscheiden sich die Patienten für eine Steuerung durch einen koordinierenden Haus- oder Facharzt als Primärarzt brauchen sie keine Eigenbeteiligung zu entrichten“, erklärte er.
„Wünschen sie weiterhin eine freie Arztwahl ohne Steuerung, müssen sie eine Eigenbeteiligung bezahlen.“ Auf diese Weise könne der ungehinderte Zugang ins System gebremst werden. Heute sei es ein großes Problem, dass viele Menschen mit einem Schnupfen die offenen Sprechstunden in den Praxen verstopften.
„Wir Ärztinnen und Ärzte müssen von solchen Banalitäten befreit werden, um mehr Zeit für die Patienten zu haben, die wirklich krank sind“, so der Virchowbundvorsitzende.
Mehr Eigenverantwortung
Auch der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, sprach sich für die Einführung einer Patientensteuerung aus. „Mit Blick auf die Finanzierungsfähigkeit des Gesundheitssystem sollte sich die Politik Gedanken darüber machen, ob sie nicht über eine Praxisgebühr in veränderter Form nachdenken möchte“, sagte Hecken. „Wir können keine Patientensteuerung dadurch erreichen, dass wir die Menschen bitten, nur dann zum Arzt zu gehen, wenn es wirklich sein muss.“
Es sei angemessen, von den Patientinnen und Patienten eine Eigenverantwortung zu verlangen, die sich durch eine Form von Beteiligung an jeder Leistungsinanspruchnahme ausdrückt. Dies müsse sozial verträglich gestaltet werden. „Sozial verträglich bedeutet dabei aber nicht, dass die Selbstbeteiligung auf null reduziert werden kann“, so Hecken.
„Die Frage ist: Behandeln wir die Richtigen? Die Antwort ist: Nein, das tun wir nicht“, erklärte der G-BA-Vorsitzende. „20 bis 30 Prozent der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sind medizinisch nicht indiziert. Sie kommen zustande, weil die Patientinnen und Patienten subjektiv ein Unwohlsein empfinden und sagen: Ich brauche eine ärztliche Behandlung.“ Dabei handle es sich um aufsuchende Arzt-Patienten-Kontakte, die am Ende des Tages nicht notwendig seien. Diese Behandlungen blockierten die Versorgung von Patienten, die wirklich ärztliche Hilfe benötigen.
Diskriminierung der Niedergelassenen
Hecken sprach sich dafür aus, die ambulante Versorgung zu stärken: „Wir können eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung nur gewährleisten, wenn wir einen starken niedergelassenen Bereich aus Haus- und Fachärzten haben. Das ist der Backbone jeder vernünftigen medizinischen Versorgung.“
Hecken zufolge war es das politische Ziel von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass möglichst viele Leistungen in stationären und teilstationären Einrichtungen erbracht werden und die entsprechenden Einrichtungen zu fördern. „Aus meiner Sicht war es ein planvollen Vorgehen, die fachärztliche niedergelassene Versorgung in die Krankenhäuser zu verlagern“, sagte Hecken. „Vor diesem Hintergrund habe ich in den vergangenen Jahren eine flächendeckende Diskriminierung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wahrgenommen.“
Klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit
Zum Platzen der Ampelkoalition sagte Heinrich, er sei froh, dass die Zeit des Bashings und der Missachtung durch Lauterbach nun zu Ende gehe. Von der nächsten Bundesregierung erhofft sich Heinrich ein klares Bekenntnis zur Selbstverwaltung und zur ärztlichen Freiberuflichkeit. Der Grundfehler der Ampelkoalition sei im Gesundheitsbereich gewesen, dass sie Lauterbach erlaubt habe, eine Hidden Agenda zur Staatsmedizin zu verfolgen.
Die letzten drei Jahre seien für ihn die schwierigsten in seiner berufspolitischen Laufbahn gewesen, sagte Heinrich, da es im Unterschied zu sämtlichen Amtsvorgängern seit Ulla Schmidt (SPD) bei Lauterbach sehr schwierig gewesen sei, Gespräche führen zu können.
Andere Art der Kommunikation
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, kündigte an, dass die CDU eine andere Art der Kommunikation mit der Ärzteschaft führen wolle, wenn sie das Gesundheitsministerium leiten sollten. Zudem betonte er, dass man in der nächsten Legislaturperiode in der Gesetzgebung nicht bei null anfangen müsse.
So habe das ursprünglich vorgelegte Gesundheitsversorgungsverbesserungsgesetz viele gute Dinge enthalten, die im Verlauf des Verfahrens aber zum Teil wieder entfernt worden seien. Im Hinblick auf die Entbudgetierung könne man, darauf aufbauend, eine strukturierte Debatte führen, in die nicht nur einzelne Arztgruppen einbezogen seien, sagte Sorge.
Im Unterschied zu Christian Bartelt von der FDP schloss Sorge allerdings aus, zusammen mit der SPD und den Grünen für noch laufende Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode zu stimmen. Bartelt hatte erklärt, dass er sich vorstellen könne, dass die FDP-Fraktion zum Beispiel für das angekündigte und sinnvolle Entbürokratisierungsgesetz stimmt.
Sorge sprach sich hingegen dafür aus, die Entbürokratisierung in der neuen Legislaturperiode neu anzugehen. Schließlich habe die Ampelkoalition genug Zeit gehabt, das Entbürokratisierungsgesetz in dieser Regierungszeit zu beschließen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: