Politik

Weiterhin Kritik an kostenfreien Coronatests für Reiserückkehrer

  • Montag, 10. August 2020
/picture alliance, Marius Becker
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Berlin – Die Kritik an den kostenfreien Coronatests für Reiserückkehrer aus Risikogebie­ten reißt nicht ab. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Kostenfreiheit zuletzt noch einmal verteidigt. Gegenwind kommt auch aus den eigenen Reihen.

Seit vorgestern sind Reisende, die aus Coronarisikogebieten nach Deutschland zurück­keh­ren, dazu verpflichtet, sich bei der Einreise testen zu lassen. Der Test ist für die Betroffe­nen bis zu drei Tage nach der Ankunft kostenlos.

Er habe „ein Gerechtigkeitsproblem damit, dass man in Risikogebiete fährt und dann auch noch den Test vom Staat bezahlt bekommt“, sagte SPD-Generalse­kretär Lars Kling­beil in der Bild-Sendung „Die richtigen Fragen“.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte in der Bild-Sendung, er halte es „für sehr vertretbar, wenn es die bezahlen, die ganz bewusst diese Reisen in Risikogebiete machen. Man kann auch woanders Urlaub machen.“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) meldete heute im ZDF-„Mor­genmagazin“ ebenfalls Änderungsbedarf an. Mittelfristig müssten die Betroffe­nen die Kosten selbst tragen, sagte er. „Das kann nicht die Allgemeinheit zahlen.“

Innenstaats­sekretär Günter Krings (CDU) schlug eine Anzeigepflicht vor Reisen in Risiko­gebiete vor. Er regte an, für Reisen in Risikogebieten eine Anzeigepflicht einzuführen. Wer eine solche Reise vorhabe, solle das dem Gesundheitsamt melden, sagte er der Rheini­schen Post.

Dadurch lasse sich hinterher leichter überprüfen, ob der Reisende den obligatorischen Test bei der Rückkehr nach Deutschland gemacht und gegebenenfalls die Quarantäne eingehalten habe. Der CDU-Wirtschaftsrat hatte zuvor gefordert, Reisen in Risikogebiete zu verbieten. Dies lehnte Krings jedoch als zu weitgehend ab.

Für eine dauerhafte Lösung muss es Alternativen geben

„Der Aufwand für selbst gewählte Risiken kann nicht ständig auf die Gesellschaft abge­wälzt werden“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff dem Spiegel. Vorübergehend sei die Regelung richtig, „um die sofortige Inanspruchnahme durch die Reisenden zu sichern“. Für eine dauerhafte Lösung müsse aber über Alternativen nachge­dacht werden, „zum Beispiel, ob die Kosten für die Tests auf die entsprechenden Flugti­ckets umgelegt werden“.

Noch deutlicher als Haseloff wurde der designierte Hamburger CDU-Landeschef Chris­toph Ploß. „Es ist nicht akzeptabel, dass die Kosten für die Tests allen Deutschen glei­cher­maßen aufgedrückt werden“, sagte Ploß dem Spiegel. Auch er begrüßte die Test­pflicht, forderte aber: „Wer einen Test benötigt, sollte auch für ihn bezahlen.“

Kritik gab es es auch an der Forderung des CDU-Wirtschaftsrats, Reisen in Risikogebiete grundsätzlich zu verbieten. „Ich halte pauschale Reiseverbote für einen zu großen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte der Bürger. Das gleiche Ziel erreichen wir auch durch eine strikte Testpflicht und konsequente Quarantäneregeln", sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Carsten Linnemann, dem Spiegel.

Für die Akzeptanz in der Bevölkerung sei es „auch weiterhin sehr wichtig, dass wir gut abwägen zwischen Infektionsschutz auf der einen Seite und der individuellen Freiheit auf der anderen Seite“, sagte der Unionsfraktionsvize.

Kritik an Wartezeiten auf Testergebnisse

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schwere Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie vor. Die „vollmundige Selbstver­mark­tung“ des Ministers könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass an vielen Stellen Testkapazitäten fehlten, sagte Walter-Borjans der Süddeutschen Zeitung. Zudem ließen Testergebnisse so lange auf sich warten, dass Betroffene „gegen ihren Willen zum Infek­tionsrisiko“ würden.

Walter-Borjans bezeichnete es auch als Fehler, dass nur Heimkehrer aus Risikogebieten sich einem obligatorischen Test unterziehen lassen müssen, während andere Rückkehrer lediglich unverbindlich zu einem Test eingeladen werden. „Zum erfolgreichen Umgang mit der Pandemie gehört nicht nur der Auftritt vor der Kamera, sondern auch das Klein-Klein der Umsetzung“, sagte der SPD-Vorsitzende.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Gesundheitsministerin Melanie Huml (beide CSU) räumten heute Verzögerungen bei Coronatests für Reiserückkehrer ein. Diese sollten aber diese Woche ausgeräumt werden, hieß es nach einer Kabinettssitzung in Nürnberg. Mehrere Medien hatten zuvor berichtet, dass Testergebnisse bei manchen Urlaubsrück­keh­rern auch eine Woche nach dem Abstrich im Testzentrum noch nicht vorlagen.

Hausärzte kritisieren Aktionismus

Der Deutsche Hausärzteverband übte deutliche Kritik an der Testpflicht für Reiserückkeh­­rer aus Risikogebieten. „Viel zu testen ist an sich vernünftig, die Testpflicht ist aber Aktio­nismus, von dem ich wenig halte“, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Weigeldt der Welt. Die Risikogebiete seien „viel zu pauschal“ eingeteilt worden und viele Hausärzte nicht für einen riesigen „Ansturm von Testwilligen“ ausgestattet.

Spahn hatte zu den verpflichteten Tests erklärt, man dürfe aus den Kosten „keine soziale Frage“ machen. Es gebe auch Menschen, die sich ihren Urlaub lange hätten ersparen müssen. Zur Finanzierung solle die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds verwendet werden, der dafür höhere Bundeszuschüsse erhalten soll.

Als Risikogebiete eingestuft sind die meisten Staaten der Erde, auch die USA oder Brasili­en. In der EU hat das Robert Koch-Institut Luxemburg, die belgische Region Antwerpen und einige Regionen Nordspaniens als Risikogebiet ausgewiesen, ebenso mehrere euro­päische Staaten außerhalb der EU. Auch die vier türkischen Küstenprovinzen, für die kei­ne Reisewarnung des Auswärtigen Amts mehr gilt, sind weiterhin als Risikogebiete ein­ge­stuft.

dpa/afp/may

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