Wirksame Behandlungen gegen Depressionen stehen bereit
Berlin – Die WHO geht aktuell davon aus, dass weltweit rund 322 Millionen Menschen von Depressionen betroffen sind. In Deutschland allein sind es rund vier Millionen. „Die Sorge vor Stigmatisierung hält viele Menschen davon ab, sich Hilfe zu suchen. Wir wollen sie ermuntern, Hilfe einzufordern und sie nicht allein lassen. Wirksame Behandlungen und Hilfsangebote stehen bereit“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) heute bei einer Fachtagung zum Weltgesundheitstag mit dem Titel „Depression, sprechen wir’s an“. Nach Berlin eingeladen hatten das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung.
Gröhe wies in seiner Rede auf die Bedeutung einer leitliniengerechten Behandlung der Depression durch Hausärzte, Psychiater und Psychotherapeuten hin. Gefördert werden müsste zudem die sektorenübergreifende Versorgung, weil die Betroffenen an den Schnittstellen oftmals verloren gingen. „Mit der Einführung des Home-Treatments für schwer psychisch Kranke durch spezielle stationäre Behandlungsteams haben wir einen Schritt in die richtige Richtung getan“, betonte er.
Reform der Psychotherapeutenausbildung: Entwurf angekündigt
Um die Versorgung psychisch Kranker noch weiter zu verbessern, habe das BMG darüber hinaus eine Reform der Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf den Weg gebracht, betonte der Bundesgesundheitsminister. Mit einem fünfjährigen Hochschulstudium der Psychotherapie mit anschließender Weiterbildung und „einer gestärkten Verbindung von Praxis und Theorie“ sollen künftige Psychotherapeuten den Herausforderungen begegnen können. Gröhe kündigte dazu einen Arbeitsentwurf seines Ministeriums an. Bisher liegt nur ein Eckpunktepapier vor.
Den aktuellen medizinischen Wissensstand zur Diagnostik und Therapie der Depression stellte Ulrich Hegerl, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig vor. Von einer Depression spreche man, wenn mindestens zwei relevante Symptome über mindestens zwei Wochen auftreten: Schlafstörungen, Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit, Appetittmangel, Antriebslosigkeit, verminderte Konzentration und Suizidgedanken. Hegerl unterscheidet folgende Erscheinungsbilder: gehemmte Depression, agitierte Depression, somatisierte „larvierte“ Depression und die wahnhafte Depression. Die Erkrankung komme bei Frauen doppelt so häufig vor wie bei Männern.
Schlafentzug hilft häufig bei Depressionen
Neben Psychotherapie und medikamentöser Behandlung helfe rund 60 Prozent der Betroffenen ein Schlafentzug in der zweiten Nachthälfte, betonte Hegerl, der auch Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist. „Das hört sich erst einmal widersprüchlich an, weil Menschen mit Depression sich oftmals sehr erschöpft fühlen. Aber gerade langes Schlafen und auch Schlafen tagsüber befördern die Depression – das ist ein Teufelskreis“, sagte der Psychiater. Schlafentzug könne eigentlich nur bei stationärem Aufenthalt angewendet werden, doch mit der App „Get.Up!“ könnten Betroffene auch zuhause ausprobieren, ob Schlafentzug ihnen helfe.
Mehr Psychiater und digitale Interventionen
Hinsichtlich der Versorgung von Menschen mit Depressionen ist Hegerl überzeugt: „Wir brauchen mehr Psychiater.“ Zwar seien auch mehr Psychotherapeuten notwendig, doch die würden im Vergleich mit einer Richtlinien-Psychotherapie deutlich weniger Patienten versorgen können als die Psychiater und Nervenärzte. Darüber hinaus findet er die Integration digitaler Interventionen in die Regelversorgung wichtig. Ein Beispiel für ein gutes Angebot sei hier das Online-Training-Programm „ifightdepression“, das auf Initiative des „Europäischen Bündnis gegen Depression“ entstanden ist. Betroffene sollten das Programm mit ärztlicher Überwachung anwenden.
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