Zentrale Anlaufstelle für Diskriminierung im Gesundheitswesen gefordert

Berlin – Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat dem Bundesgesundheitsministerium eine Analyse zu Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten nach Diskriminierungen im Gesundheitswesen vorgelegt.
Als Schlussfolgerung forderte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, Anfang der Woche eine zentrale Anlaufstelle für Menschen, die Diskriminierung erleben, „wo sie Informationen bekommen und erfahren, was sie tun können“. Das Thema dürfe in Deutschland nicht länger übersehen werden.
Es geht etwa um Benachteiligungen aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung sowie rassistische und antisemitische Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Das Thema sei bisher nicht ernst genug genommen worden, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der „dunkle Fleck“ müsse ausgeleuchtet werden. Diskriminierung sei leider weit verbreitet im deutschen Gesundheitssystem, berichte er außerdem. Beispielsweise hätten Menschen mit Suchterfahrung große Probleme, in der Psychotherapie versorgt zu werden.
Von Diskriminierungen seien auch Menschen mit Behinderungen, mit bestimmten Sprachbarrieren und wegen ihrer Herkunft betroffen. Lauterbach plädierte erneut dafür, Gesundheitskioske in den ärmsten Teilen Deutschlands ans Netz zu bringen, um etwa Sprachbarrieren zu überwinden und Menschen durch das hiesige System zu lotsen.
Die nun vorgestellte Arbeit selbst liefert keine Erkenntnisse zum Aufkommen, betroffenen Merkmalen und Diskriminierungsformen im Gesundheitswesen. Auch könne die Betroffenenperspektive nur in Ansätzen untersucht werden, heißt es in dem Papier.
Verwiesen wird diesbezüglich auf frühere Untersuchungen, beispielsweise eine Repräsentativbefragung von 2017, in der jede vierte von Diskriminierung betroffene Person angegeben habe, „diese (auch) im Bereich „Gesundheit und Pflege“ erlebt zu haben (26,4 Prozent).“
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und andere Beratungsstellen erreichten diesbezügliche Beschwerden, heißt es. Generell liegen zu dem Thema Diskriminierung in der medizinischen Versorgung laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenige Studien vor.
Die aktuelle Erhebung kommt unter anderem zu dem Schluss, dass es vielfältige Anlauf- und Beschwerdestellen gebe, etwa an Krankenhäusern, bei Kammern oder in Form der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).
Das bisherige Angebot wird allerdings als heterogen und lückenhaft beschrieben, oftmals fehle eine Spezialisierung auf Diskriminierung. Zuständigkeiten seien oft unklar. Es fehlten häufig Hinweise, ob Diskriminierung in den Aufgabenbereich einer bestimmten Stelle fällt. Es hapere auch bei der flächendeckenden Verfügbarkeit.
Bemängelt wird darüber hinaus, dass die Einrichtungen die bestehenden Beschwerdeverfahren in der Regel nicht explizit und systematisch auch für Diskriminierungsfälle ausgestalten würden. Die Antidiskriminierungsstelle teilte zu den Ergebnissen aber auch mit, dass es auch vorbildliche Angebote und einige Vorreiter im Gesundheitswesen gebe.
Zu den Handlungsempfehlungen zählen unter anderem ein sichtbares Beratungsangebot in allen Praxen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, eine Professionalisierung des Umgangs mit Diskriminierung, eine systematische Erfassung der Fälle und bessere rechtliche Möglichkeiten, sich nach einer Diskriminierung zu wehren. Hervorgehoben wird auch, dass Möglichkeiten zur persönlichen Beratung und Betreuung wichtig seien.
Für die Untersuchung wurden Anlauf- und Beschwerdestellen des Gesundheitswesens recherchiert und ein Teil von ihnen online befragt. Hinzu kamen Befragungen von Ansprechpartnern aus Betroffenenverbänden und Antidiskriminierungsberatungsstellen.
Außerdem wurden qualitative Fallstudien zu Arbeitsweisen und -grundlagen der vorhandenen Anlauf- und Beschwerdestellen im Gesundheitsbereich untersucht. Durchgeführt wurde das Projekt „Diagnose Diskriminierung. Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten bei Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen“ vom IGES Institut.
Diskriminierungserfahrungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitswesens würden in Befragungen zwar häufig benannt, heißt es in der Analyse. Sie waren jedoch nicht Gegenstand der Arbeit.
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