20 Millionen Euro für Suizidprävention gefordert

Berlin – Das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention und die Deutsche Akademie für Suizidprävention fordern, die Suizidprävention endlich tatsächlich zu fördern. Dazu seien Finanzmittel in Höhe von 20 Millionen Euro nötig, erklärten die Organisationen heute.
Sie verwiesen dabei auf den Willen des Parlaments: Der Bundestag hätte erst im Juli mit überwältigender Mehrheit eine Entschließung zur Suizidprävention gefasst und die Bundesregierung beauftragt, innerhalb eines Jahres sowohl eine Suizidpräventionsstrategie zu entwickeln sowie eine entsprechende gesetzliche Regelung der Suizidprävention zu schaffen.
„Leider sind bis jetzt im Haushaltsplan 2024 der Bundesregierung keine Mittel für die Förderung der Suizidprävention vorgesehen“, kritisierte Reinhard Lindner, geschäftsführender Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro), vor der Presse. Diese Mittel wären aber absolut notwendig. Sie könnten ein Zeichen der Hoffnung für viele Menschen im Land sein.
Denn dringend notwendig sind nach Ansicht der Institutionen der Suizidprävention sowohl die Gründung und auskömmliche Ausstattung einer zentralen Informations- und Koordinationsstelle zur Suizidprävention mit einer allzeit erreichbaren Telefonnummer als auch der Erhalt, der Ausbau, die Vernetzung und die auskömmliche Finanzierung qualifizierter regionaler, niedrigschwelliger suizidpräventiver Angebote.
Das Nationale Suizidpräventionsprogramm ist seit zwanzig Jahren ein kooperatives Netzwerk von Fachleuten. Als Entwickler eines bürgerschaftlichen und institutionellen Engagements und der suizidpräventiven Öffentlichkeitsarbeit müsse es auch selbst auskömmlich und dauerhaft gefördert werden, sagte NaSPro-Leiterin Barbara Schneider.
„Ziel ist, bestehende Strukturen der Suizidprävention effizienter zu machen, Wissenschaft und Praxis zusammenzuführen und alle für die Suizidprävention relevanten Gruppen einzubeziehen“, sagte sie. Die aufwendige ehrenamtliche Netzwerkarbeit des Nationalen Suizidpräventionsprogramms benötige eine hauptamtliche Koordination, doch im nächsten Jahr könne das NaSPro seine Geschäftsstelle nicht mehr finanzieren und seine Arbeit nur noch sehr eingeschränkt fortsetzen.
Engpässe gibt es auch bei anderen Hilfsangeboten: Mehr als 9.000 Menschen hätten sich 2021 das Leben genommen, berichtete Georg Fiedler von der Deutschen Akademie für Suizidprävention. Und mehr als 100.000 Menschen versuchten sich das Leben zu nehmen.
Die hohe Anzahl zeige, dass viele Menschen von den Angeboten des Gesundheitswesens nicht erreicht würden. Niedrigschwellige Hilfen in Beratungsstellen oder Onlineangebote seien überlaufen. „Die bestehende deutliche Nachfrage erfordert dringend eine Sicherung und einen Ausbau dieser Hilfen und keine Reduzierung oder Einstellung“, betonte er heute.
Dies bestätigte Klaus Weckwerth von der U25-Online-Suizidprävention, bei der sich 330 Ehrenamtliche engagieren und Ratsuchende deutschlandweit betreuen. Es kämen durchschnittlich pro Jahr 300 neue Ratsuchende hinzu, sagte er. 92 Prozent davon würden als suizidal eingestuft und 56 Prozent hätten bereits mindestens einen Suizidversuch unternommen.
„Im Jahr 2020 war der Suizid die häufigste Todesursache unter den 25-Jährigen“, betonte er. Trotzdem könnten 2023 nur 20 Prozent der Neuanfragen angenommen werden, die Kapazität der aktuellen Teamleitungen und Ehrenamtlichen reiche bei weitem nicht aus.
Christiane Schweizer und Jakob Henschel von der MANO – Suizidprävention betonten, dass auch in der Gruppe der Suizidgefährdeten über 25 ein immenser Bedarf für eine anonyme Onlinesuizidprävention bestehe. Doch sei auch hier aufgrund der hohen Nachfrage eine freie Erstanmeldung nur schwierig möglich.
Auch Helmut Ellensohn, Vorsitzender TelefonSeelsorge Deutschland, berichtete von einer hohen Nachfrage. „Damit die Telefonseelsorge auch weiterhin ihr Angebot für alle Menschen rund um die Uhr flächendeckend aufrechterhalten kann, bedarf es weiterer finanzieller Quellen“, sagte er.
Uwe Sperling vom Vorstand der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) betonte die Notwendigkeit von Forschung zu Suizidalität und Suizidprävention. Sie stelle einen elementaren Bestandteil nationaler Suizidpräventionskonzepte dar.
„Eine nachhaltige Forschungsförderung ist nötig, weil Forschung eine unabdingbare Voraussetzung dafür darstellt, Maßnahmen im Rahmen einer nationalen Suizidpräventionsstrategie und der von den Mitgliedern des Deutschen Bundestags geforderten gesetzlichen Verankerung der Suizidprävention zielgenau zu entwickeln und zu evaluieren“, erklärte er.
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