Politik

Organspende: Spahn kündigt Gesetzesvorlage an

  • Freitag, 1. Juni 2018
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Bonn/Frankfurt – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Trend rückläufiger Organspenderzahlen in Deutschland brechen. Jeder sollte sich einmal im Leben dem Thema stellen und sich entscheiden, sagte Spahn bei einem Besuch des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel.

Er kündigte für nach der Sommerpause im September einen Gesetzesentwurf an, um eine bessere finanzielle Ausstattung der Kliniken zu erreichen und die Situation der Transplantationsbeauftragten zu verbessern. Zugleich versprach er, die Debatte in Gesellschaft und Parlament voranzutreiben, damit sich jeder Mensch in Deutschland zur Organspenderfrage erkläre. Nötig sei mehr Verbindlichkeit.

Debatte um Widerspruchslösung

Seit Jahren geht es bei der Organspende bergab. 2017 hat die Zahl der Organspenden in Deutschland einen neuen Tiefststand erreicht. Um den Trend umzukehren, haben Union und SPD im Koalitionsvertrag organisatorische Verbesserungen in den Kliniken vereinbart. Doch immer mehr Politikern und Gesundheitsexperten reicht das nicht: Mitte Mai sprach sich der Deutsche Ärztetag wie zuvor die Bundesärztekammer (BÄK) für einen grundlegenden Systemwechsel in der Transplantationsmedizin aus. Das wäre ein Einschnitt, der auch beim bundesweiten Tag der Organspende diskutiert werden dürfte, der morgen in Saarbrücken eröffnet wird.

Die Fakten sind seltsam widersprüchlich: Nach einer am vergangenen Montag veröffentlichten Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehen immer mehr Bundesbürger eine Organspende positiv. Auch besitzen mehr Menschen einen Spendeausweise – waren es 2012 noch 22 Prozent, sind es in diesem Jahr 36 Prozent. Andererseits wurden 2017 nur 2.594 Organe gespendet; die Zahl der Spender sank auf 797 – der niedrigste Stand seit 20 Jahren. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) sprach von einer ernüchternden Bilanz und „einer Tragödie, vor allem für diejenigen, die dringend auf eine Transplantation warten“.

Keine Einigkeit bei Widerspruchslösung

Vor diesem Hintergrund wird der Druck zu Reformen auf die Politik immer größer. Die bisherige Regelung sei gescheitert, betonten zum Beispiel BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery, aber auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Georg Nüßlein (CSU). Sie fordern die Einführung der Widerspruchslösung, die von der Union, aber auch zum Beispiel von den Kirchen bislang deutlich abgelehnt wurde.

Bei der Widerspruchslösung gilt prinzipiell jeder Bürger als potenzieller Organspender – außer, er hat ausdrücklich widersprochen. Ein kleiner, aber bedeutender Unterschied zur bisherigen Regelung, bei der jeder Bürger einer Organspende ausdrücklich im Vorfeld zustimmen muss. Organentnahme würde damit zum Regelfall gemacht.

„Aus medizinischer Sicht, vor allem aber aus Sicht der vielen schwerkranken Patienten auf der Warteliste wäre eine solche Regelung der Idealfall“, sagte Montgomery kürzlich. Der Ärztetag betonte, es könne von jedem Bürger erwartet werden, ein ausdrückliches Nein auch zu Protokoll zu geben.

Schon seit den Anfängen der Transplantationsmedizin wird darüber diskutiert, ob es eine Pflicht zur Organspende gibt und wer potenzieller Organspender ist. Deutschland hat sich 1997 im Transplantationsgesetz für eine „erweiterte Zustimmungslösung“ entschieden: Eine ausdrückliche Zustimmung zur Spende ist erforderlich. Allerdings sind auch die Angehörigen oder vom Verstorbenen dazu bestimmte Personen berechtigt, im Sinne des Patienten über eine Entnahme zu entscheiden.

Deutschland steht damit in Europa ziemlich alleine da. Nach einer Übersicht der Krankenkassen haben 17 europäische Staaten die Organspende auf dem Weg der Widerspruchslösung geregelt, darunter auch Belgien, Luxemburg, Frankreich, Österreich und Polen. Das niederländische Parlament hat die Widerspruchslösung zu Jahresbeginn mit knapper Mehrheit beschlossen; allerdings wollen Gegner eine Volksabstimmung organisieren.

Garg will Alternative vorstellen

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach ist sich bewusst, dass eine Widerspruchsregelung das Misstrauen gegenüber der Transplantationsmedizin noch erhöhen könnte. Er fordert deshalb, dass alles getan werden müsse, um ein Nein zur Organspende auch verlässlich zu dokumentieren – etwa im Führerschein, im Personalausweis und mit Organspendeausweis. Zugleich sollten auch die Angehörigen ein Widerspruchsrecht erhalten, fordert Nüßlein.

Erst gestern hatte Heiner Garg, Gesundheitsminister aus Schleswig-Holstein, einen Kompromiss angekündigt. Er will sich für eine verpflichtende Entscheidungslösung einsetzen. Die Idee will er bei der kommenden Gesundheitsministerkonferenz im Juni mit seinen Kollegen und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) besprechen.

Die Techniker Krankenkasse und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) forderten heute Freiräume und Weiterbildung für das Klinikpersonal, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen.

kna/dpa

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