55 Arztstellen in Berliner Gesundheitsämtern nicht besetzt

Berlin – In den Berliner Gesundheitsämtern können zurzeit mehr als 500 Stellen nicht besetzt werden; 55 davon sind Arztstellen. Das teilte heute in Berlin der Landesverband Berlin-Brandenburg der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) mit. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) gerate damit an die Grenzen seiner Arbeitsfähigkeit, warnte der MB-Landesvorsitzende Peter Bobbert.
Mitverantwortlich für den Personalnotstand ist Bobbert zufolge das Gefälle zwischen den Tarifgehältern in den Krankenhäusern und dem, was Ärzte im ÖGD verdienen. „Die Ärzte in den Gesundheitsämtern haben rund 1.000 Euro brutto weniger im Monat als in den Kliniken“, sagte Bobbert.
Zwar habe die rot-rot-grüne Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass sie einen arztspezifischen Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD einführen und damit die Gehaltsunterschiede zu einer Beschäftigung in den landeseigenen Kliniken abschaffen wolle. Geschehen sei aber nichts, kritisierte Bobbert. Dabei habe Berlin, dessen Bevölkerung wachse, ein Recht auf einen funktionierenden Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Psychiaterstelle zwölfmal vergeblich ausgeschrieben
Dass dringender Handlungsbedarf besteht, beschrieb die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Claudia Kaufhold, anhand einiger Beispiele. So gebe es aufgrund des Personalmangels kaum noch einen Bezirk in Berlin, in dem die Einschulungsuntersuchungen rechtzeitig vor Schulbeginn durchgeführt werden könnten.
Förderbedarf bei Kindern könne deshalb zu spät erkannt werden. Leidtragende seien vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien, die Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt weniger häufig in Anspruch nähmen als ihre Altersgenossen aus besser situierten Familien.
Auch Begehungen von Arztpraxen könnten zum Teil nicht mehr wie vorgeschrieben stattfinden. Von gut 1.000 Praxen, in denen ambulant operiert wird, seien im vergangenen Jahr nur 84 von den Amtsärzten kontrolliert worden. Besonders betroffen vom Ärztemangel sei auch der Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt, ohne dessen Gutachten kein Patient zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden könne.
„In einem Berliner Bezirk sind von fünf Psychiaterstellen nur 1,7 besetzt“, sagte Kaufhold. Dort sei eine Psychiaterstelle innerhalb eines Jahres zwölfmal vergeblich ausgeschrieben worden. „Wir haben viel für das Image der Amtsärzte getan und bei Studierenden um Nachwuchs geworben, aber an der Bezahlung können wir nichts ändern“, erklärte Kaufhold.
MB-Hauptgeschäftsführer Armin Ehl hält es für nicht nachvollziehbar, dass die Länder als Arbeitgeber die Amtsärzte zur Verwaltung zählen und sich deshalb bislang arztspezifischen Tarifverträgen verweigern. „Ärzte sind Ärzte sind Ärzte“, sagte Ehl. „Die Differenz zwischen den Gehältern muss abgeschafft werden.“
Gesundheitssenatorin kündigt Zulagen an
Derweil hat Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) der Nachrichtenagentur dpa erklärt, die Gehaltslücke der Amtsärzte durch die Zahlung von Zulagen schließen zu wollen. Man werde in Berlin vorerst einen eigenen Weg gehen, weil die Tarifgemeinschaft der Länder, der Berlin angehört, arztspezifische Tarifverträge ablehne. Diese seien aber nach wie vor das Ziel des rot-rot-grünen Senats, erklärte Kolat. Solchen Zulagen steht der MB skeptisch gegenüber, weil sie jederzeit wieder zurückgenommen werden können.
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