Sorge um drohende Abwertung der Altenpflege

Berlin – Die neue Verordnung zur Pflegeausbildung ist bei Verbänden auf positive Reaktionen, aber auch auf Kritik gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses in Berlin warnten mehrere Sachverständige, auch in ihren schriftlichen Stellungnahmen, zum Beispiel vor einem Verlust an Fachwissen in der Kinderkranken- und Altenpflege. Zugleich befürchten viele Experten eine drohende Abwertung des Altenpflegeberufs, wenn die Verordnung bleibt, wie sie ist.
Ein abgesenktes Anforderungsprofil für die Altenpflege halte er für sehr problematisch, sagte etwa der Vertreter des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege, Bodo de Vries, bei der Anhörung. Auch der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland bekräftigte, dass das Kompetenzniveau einzelner Ausbildungen nicht abgesenkt werden dürfe, nur um die Zielgruppe möglicher Bewerber zu erweitern.
Pflegewissenschaftlerin spricht von deutlich abgesenktem Niveau
Der Deutsche Pflegerat beklagte, dass die Verordnung den eigenständigen Altenpflegeabschluss auf einem Kompetenzniveau ansiedele, das nicht mehr dem eines Heilberufes entspreche. Er sprach von einer „Abwertung der Altenpflegeausbildung, die sich in den Kompetenzbeschreibungen zeigt“. Altenpfleger könnten somit keine Vorbehaltstätigkeiten ausüben und in der Folge nur an der Seite einer Pflegefachkraft arbeiten. Dies werde nicht zur Steigerung der Attraktivität des Berufs führen und auch nicht zu einer besseren Bezahlung, warnte der Verband.
Ähnlich äußerte sich die Pflegewissenschaftlerin Barbara Knigge-Demal, die von einem im Berufsverständnis „deutlich abgesenkten Niveau“ sprach. Viele alte Menschen litten unter chronischen Erkrankungen, die von den Pflegefachkräften berufliche Erfahrung und „Bewältigungsstrategien“ erforderten. Komplexe Krankheitsverläufe und die geriatrietypische Multimorbidität seien eine der Hauptursachen für Pflegebedürftigkeit. Die Abstimmung und Koordinierung der Pflege unter der Verantwortung der Altenpfleger (vorbehaltene Tätigkeiten) sei von existenzieller Bedeutung, betonte die Wissenschaftlerin. Die „Absenkung des Anspruchsniveaus“ werde gravierende Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung alter Menschen haben.
Arbeitgeber sind zufrieden
Die kirchlichen Sozialverbände Caritas und Diakonie werteten die Verordnung als „wesentlichen Beitrag zu einer zukunftsfähigen und qualitativ hochwertigen Pflegeausbildung“. Die Auszubildenden würden befähigt, Wissen fachbezogen wie auch fachübergreifend zu erwerben, zu vertiefen und anzuwenden. In einer Ausbildung, die Spezialisierungen zulasse, müssten die Anforderungen an die Absolventen jedoch gleich gehalten werden. Diesem Anspruch genüge die künftige Ausbildung zum Altenpfleger nicht. Kompetenzniveaus dürften nicht abgesenkt werden, um die Zielgruppen zu erweitern. Mehrere Sachverständige schlossen sich in der Anhörung in dem Punkt den Bedenken an.
Nach Ansicht des Arbeitgeberverbandes BDA wird mit der Verordnung die Ausbildung zum Altenpfleger „sinnvoll und zukunftsträchtig modernisiert“. Der Entwurf werde dem Anspruch gerecht, einen für einen weiten Personenkreis realistischen Berufsabschluss in der Altenpflege zu erhalten. Die Kompetenzanforderungen für Altenpfleger seien gemäß den Anforderungen aus der Praxis „sachgerecht überarbeitet“ worden. Die Ausbildung zum Altenpfleger müsse für Personen offengehalten werden, „die nicht mit überdurchschnittlichen Zeugnisnoten während ihrer Schulzeit glänzen“, aber Empathie für ältere Menschen aufbrächten.
Zahlreiche Änderungswünsche der Union an der Verordnung für die Ausbildung in der Altenpflege hatten zuletzt zu Streit in der Großen Koalition geführt. Die Union hatte die Anforderungen für die Ausbildung der Altenpflege deutlich herabsetzen wollen. Die SPD wollte dies nicht mitgehen. Letztlich gelang eine Einigung, die – wie die Anhörung heute zeigte – aber von Experten nach wie vor als deutliche Absenkung des bisherigen Niveaus eingeordnet wird.
Sorgen machen sich Kinderärzte und Krankenhäuser auch um die künftige Sicherstellung der Kinderkrankenpflege. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht insbesondere Probleme, die Pflichteinsätze in der Kinderkrankenpflege zu gewährleisten. Den rund 6.650 Auszubildenden in der Pädiatrie stünden rund 130.000 Auszubildende in der Kranken- und Altenpflege gegenüber. Die „pädiatrischen Pflichteinsätze“ für Auszubildende der Kranken- und Altenpflege in Kinderkrankenhäusern und Kinderabteilungen könnten somit kaum gewährleistet werden. Die jetzige Planung werde zu einem „Nadelöhr“ in der generalistischen Ausbildung führen.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) monierte, eine generalistische Ausbildung zur Pflegefachkraft mit nur einem verpflichtenden Vertiefungseinsatz in der pädiatrischen Versorgung befähige nicht dazu, Säuglinge, kleine und große Kinder eigenständig zu pflegen. Eine selbstständige Pflege von Kindern sei mit einem generalistischen Pflegeausbildungsabschluss ohne Nachqualifikation nicht möglich. Ein Verbandssprecher sagte in der Anhörung, von Kinderkrankenschwestern werde eine hohe Kompetenz in verschiedenen, sehr speziellen Situationen verlangt. Daher dürfe die Qualität der Ausbildung auf keinen Fall vernachlässigt werden.
Caritas und Diakonie forderten grundsätzlich eine rasche Verabschiedung der Verordnung, damit sich die Einsetzung der Fachkommissionen für das Erarbeiten der Lehr- und Ausbildungspläne nicht weiter verzögere. Beide Verbände begrüßten, dass religiöse Kontexte in die Kompetenzprofile aufgenommen wurden.
Umsetzung ab 2020
Das Bundeskabinett hatte Mitte Juni die lange diskutierte Verordnung zur Ausbildungsreform in der Pflege verabschiedet. Sie regelt Einzelheiten zur Ausbildungsstruktur, zu Mindestanforderungen, Ausbildungsinhalten, Prüfungen und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Zudem trifft sie Regelungen für eine akademische Pflegeausbildung. Die Verordnung muss noch vom Bundestag und Bundesrat gebilligt werden.
Die neuen Regeln sollen ab 2020 greifen. Das von der Großen Koalition kurz vor der Bundestagswahl beschlossene Pflegeberufegesetz führt eine generalistische Ausbildung für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ein. Davon verspricht sich die Koalition eine höhere Attraktivität des Pflegeberufs und damit mehr Berufseinsteiger.
Konkret sieht die Reform eine gemeinsame zweijährige Ausbildung für alle künftigen Pflegekräfte vor. Im dritten Jahr können sie dann die allgemeine Ausbildung fortsetzen oder sich auf die Pflege von Kindern oder alten Menschen spezialisieren. Das bisher teilweise noch zu bezahlende Schulgeld soll abgeschafft werden; die Auszubildenden erhalten eine Ausbildungsvergütung.
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