Politik

Krankenhausreform: Entwurf verschickt, durchwachsenes Echo

  • Montag, 15. April 2024
/picture alliance, Fabian Strauch
/picture alliance, Fabian Strauch

Berlin – Der Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) ist am Wochenende offi­ziell an die Verbände verschickt worden. Damit ist das Anhörungsverfahren im Rahmen des Gesetzgebungs­pro­zesses offiziell gestartet.

Bis zum 30. April haben die Verbände nun Zeit, ihre Stellungnahmen zur geplan­ten Krankenhausreform ab­zugeben. Der versandte Entwurf enthält keine Änderung zum Entwurf, der Mitte März bekannt geworden war. Zudem ist der Gesetzentwurf noch nicht ressortabgestimmt.

Es müssten noch juristische Aspekte und Wettbewerbsfragen im KHVVG zwischen den Ressorts geklärt wer­den, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am vergangenen Donnerstag. Er zeigte sich optimistisch, dass das Bundeskabinett den Entwurf am 24. April beschließen könne. Klar ist, dieser Zeitplan ist hingegen kaum noch zu halten. Realistischer scheint ein Beschluss im Kabinett am 8. Mai.

Vonseiten der Krankenkassen kommt sowohl Kritik als auch Lob. „Die Reform könnte so gemacht werden, dass von Bayern bis Brandenburg alle Patientinnen und Patienten gleichermaßen davon profitieren“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes.

Die Reformziele unterstütze der GKV-Spitzenverband mit großem Nachdruck. „Dies gilt insbesondere für die Sicherstellung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie die flächendeckende medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten in Stadt und Land“, so Stoff-Ahnis.

Die angekündigte Ausrichtung der Krankenhausplanung an dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung sei ebenso richtig wie überfällig. „Krankenhäuser sind kein Selbstzweck, sondern sie dienen der guten Versorgung der Bevölkerung. Mit dem angekündigten Bedarfsplanungstool kann digital ermittelt werden, wo in Deutsch­land welche Arten von Kliniken, also Grundversorgung und Spezialversorgung, in welcher Anzahl und Größe benötigt werden“, sagte Stoff-Ahnis und spielt damit auf das geplante Instrument an, das die Länder ab Herbst 2024 nutzen sollen können.

Kritisch sei, dass die notwendige Verbesserung und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Versorgungsstrukturen noch zu vage formuliert seien. Zudem bemängelte Stoff-Ahnis die geplante Finanzierung des Transformati­ons­fonds. Es sei inakzeptabel, dass der Staat den Transformationsfonds zum Umbau der Krankenhäuser ledig­lich zur Hälfte finanzieren wolle und plane, die andere Hälfte den Beitragszahlenden der Krankenkassen aufzubürden, so Stoff-Ahnis.

Mit ihren Finanzierungsplänen trete die Bundesregierung in einer ohnehin angespannten Finanzsituation der GKV „eine Kostenlawine los“, die auf die Beitragszahlenden der Krankenkassen zurolle. „Dies lehnen wir nach­drücklich ab.“ Dies werde zu steigenden Zusatzbeiträgen führen, warnte sie. Zudem seien die im Referen­tenent­wurf skizzierten kurzfristigen Einsparungen unrealistisch.

Abrechnungsprüfungen beibehalten

Der BKK Dachverband will an der einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfung festhalten. Zwar müsse das der­zeit bestehende Prüfsystem vereinfacht werden, doch bleibe die Einzelfallprüfung der im KHVVG geplanten Stichprobenprüfung überlegen, heißt es in einer Mitteilung. Lauterbach hatte wiederholt betont, dass mit dieser Änderung Bürokratie im Krankenhaus vermindert werde.

Die Abrechnungsprüfung im Einzelfall setze die richtigen Anreize für korrekte Krankenhausrechnungen und sorge für eine hohe Qualität der Abrechnungsdaten, so der BKK Dachverband. „Eine korrekte Dokumentation, Kodierung und Abrechnung ist unverzichtbar für die Kalkulation der Fallpauschalen, die (Weiter-)Entwicklung der Entgeltsysteme und für die Forschung“, heißt es. Sie ermöglichten zudem eine gerechte Berechnung von Vorhaltebudgets und eine konsequente Umsetzung der Ambulantisierung.

Der Verband wies daraufhin, dass nur acht von 100 Abrechnungsfällen tatsächlich an den Medizinischen Dienst weitergegeben und genau geprüft würden. „Die einzelfallbezogene Prüfung von Krankenhausabrech­nungen ist kein Selbstzweck, sondern eine tragende Säule des Krankenhausfinanzierungssystems“, sagte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes.

„Ohne die Abrechnungsprüfung im Einzelfall würden wir die gerade in Fahrt kommende Ambulantisierung und Effizienzsteigerung im stationären Sektor direkt wieder abwürgen. Ausgabensteigerungen im stationären Bereich, und Beitragssatzsteigerungen zu Lasten der Versicherten wären die direkte Folge.“

Statt der Abkehr des Systems brauche es eine „einfach umsetzbare und praxisnahe Weiterentwicklung der bestehenden Regelungen zur Vereinfachung des Prüfverfahrens“. Damit ließen sich bürokratische Hemmnisse und Fehlanreize abbauen. Für dieses Ziel seien keine Experimente mit Stichprobenprüfungen notwendig, so Knieps.

Für den Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) ist der vorliegende Entwurf nicht geeignet, die Krankenhausversorgung zukunftsfähig zu machen. „Er dient nicht der Entökonomisierung, wie es Minister Lauterbach versprochen hatte – ganz im Gegenteil. Er verhindert strategische Entscheidungen der Kliniken“, sagte VKD-Präsident Josef Düllings.

Der Entwurf vergrößere den bürokratischen Ballast enorm, der mit dem kürzlich beschlossenen Transparenz­gesetz bereits angestiegen sei. „Er beschädigt damit auch das Ziel, die Qualität der Leistungen zu verbessern“, kritisierte Düllings weiter. Problematisch sei zudem, dass die Kostensteigerungen der Jahre 2022 und 2023 unberücksichtigt blieben. Dies werde die Versorgungslücken vor allem in den ländlichen Regionen weiter aufreißen, so Düllings.

Kleine Kliniken für Versorgung wichtig

Auf die Notwendigkeit kleinerer Krankenhäuser für die Patientenversorgung wies Reimer Riessen, leitender Oberarzt der Internistischen Intensivstation am Universitätsklinikum Tübingen heute beim DGIM-Kongress hin. Insbesondere für die wohnortnahe Versorgung älterer Patientinnen und Patienten werden diese Stand­orte gebraucht, betonte er.

Diese Basis sei sehr wichtig, sonst würden die großen Kliniken „aus allen Nähten platzen“. Hinsichtlich der geplanten Zentren unter anderem für Intensivmedizin sehe der Entwurf sehr hohe Anforderungen für Kliniken vor, um die Zentrumszuschläge zu erhalten. Es würden sehr hohe Fallzahlen sowie hohe Strukturvorhaltung benötigt. Man müsse sehen, ob die Anforderungen entsprechend richtig seien, so Riessen.

Für die künftige Krankenhausplanung sollte zunächst die Notfallversorgung im Mittelpunkt stehen. Mit regionaler Expertise und vorgegebenen Kriterien sollte so die Versorgung sowohl in Ballungsräumen als auch in ländlichen Regionen gut geplant werden, sagte Intensivmediziner Riessen.

An die Notfallversorgung müsse entsprechend auch die Intensivversorgung angedockt werden, so Riessen. Seiner Ansicht nach könnten Leistungen, die nicht für die Notfallversorgung benötigt werden, beispielsweise elektive Gelenkoperationen etwa an Privatkliniken ausgegliedert werden. Für diese müsste es auch keine Vorhaltefinanzierung geben, so Riessen.

Zudem sollte das ärztliche Personalbemessungsinstrument (ÄPS-BÄK) im Entwurf berücksichtigt werden, so dass jede ärztliche Aufgabe in der Klinik auch entsprechend abgebildet und vergütet werde, forderte Riessen. Er schlug zudem vor, dass die Intensivversorgung auch mithilfe von Tagespauschalen finanziert werden sollte. Für die Berechnung der Pauschalen sollte insbesondere der Schweregrad der Erkrankungen berücksichtigt werden.

Sebastian Wolfrum, Leiter der Notaufnahmen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Standort Lübeck, warnte zudem vor zu vollen Notaufnahmen. Zwei Drittel der Notaufnahmen in Deutschland hätten ein Overcrowding-Problem, so Wolfrum. Wenn Krankenhäuser im Zuge der Krankenhausreform aber geschlossen und die Versorgung nicht ambulantisiert werde, gebe es künftig auch in größeren Häusern Probleme, weil die Patienten aus der Notaufnahme aus Kapazitätsgründen nicht mehr aufgenommen werden könnten.

Die geplante Notfallreform hätte jedoch das Potenzial, die Notaufnahmen durch bessere Steuerung von Akut- und Notfallpatienten zu entlasten. Hier sei die Umsetzung der Details bedeutsam, so Wolfrum. Die Reform der Notfallversorgung und Rettungsdienste soll nach der Krankenhausreform erfolgen. Erste Eckpunkte eines Gesetzentwurfs liegen bereits vor.

Auch für Hans-Jörg Busch, Leiter des Zentrums für Notfall- und Rettungsmedizin am Universitätsklinikum Frei­burg, ist eine bessere Steuerung der Patienten zentral für eine Entlastung der Rettungsdienste und Notauf­nahmen.

Zudem müsste der Rettungsdienst besser mit anderen Akteuren der Notfall- und Akutversorgung vernetzt werden. Auch die Digitalisierung entsprechender Prozesse könnte helfen, um eine schnelle abgestimmte Versorgungskette ohne Schnittstellenverluste zu erreichen. Hier spiele die elektronische Patientenakte, beziehungsweise die Patientenkurzakte eine wichtige Rolle.

Busch sprach sich für die Festlegung von Prozessen zur Entwicklung von bundesweiten Vorgaben für die Leistungserbringung der Rettungsdienste aus. Insbesondere eine parallele statt einer sequentiellen Dispo­sition in der Leitstelle sei wichtig, um Zeiten bis zur Versorgung im Krankenhaus zu verkürzen. „Die Leitstelle muss gleich erkennen, ob ein Hubschrauber benötigt werde. Wenn der Notarzt das vor Ort entscheidet, geht wichtige Zeit verloren“, so Busch. Damit sei zudem eine bedarfsgerechte Steuerung möglich.

Seit November 2023 gibt es an der Uniklinik Freiburg zudem ein integriertes Notfallzentrum inklusive hausärztlicher Versorgung, berichtete Busch. 36 Prozent der selbst vorstellenden Patienten könnten so in den ambulanten Leistungsbereich überwiesen werden. 64 Prozent landen im stationären Bereich. Hier könnte noch nachgesteuert werden, so Busch.

cmk

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