Politik

Betriebsübergang: UPD-Mitarbeiter wehren sich gegen Kündigungen

  • Freitag, 29. September 2023
Das Arbeitsgericht Berlin wird sich mit den Kündigungsschutzklagen der UPD-Beschäftigten befassen müssen. Heute findet bei der UPD eine Betriebsratsversammlung mit allen Mitarbeitern statt. /picture alliance, Moritz Vennemann
Das Arbeitsgericht Berlin wird sich mit den Kündigungsschutzklagen der UPD-Beschäftigten befassen müssen. Heute findet bei der UPD eine Betriebsratsversammlung mit allen Mitarbeitern statt. /picture alliance, Moritz Vennemann

Berlin – Das Drama um die Unabhängige Patientenberatung (UPD) geht in die nächste Runde. Nach Querelen um die Satzung zum Aufbau der künftigen UPD-Stiftung, klagen nun Beschäftigte der UPD gGmbH auf Übernahme in die neuen Stiftungsstrukturen. Die Klagen richten sich gegen den GKV-Spitzenverband und den bisherigen Arbeitgeber, die UPD gGmbH.

Zur Erinnerung: Die UPD gGmbH führt derzeit die Geschäfte der UPD, sie ist eine Tochtergesellschaft des privatwirtschaftlichen Gesundheitsdienstleisters Sanvartis, der zuletzt die Ausschreibung des GKV-Spitzenverbands für den Betrieb der UPD gewonnen hatte.

Die rot-grün-gelbe Ampelkoalition und der Bundestag hatten aber das Ausschreibungsmodell beendet und beschlossen, dass eine Stiftung die Aufgaben der UPD zum 1. Januar 2024 übernehmen soll. Der GKV-Spitzenverband muss, wie bisher für die UPD gGmbH auch, die Finanzmittel für die neue UPD-Stiftung bereitstellen. Über die Finanzierung waren Politik und Krankenkassen, die auch die Satzung für die UPD schreiben mussten, in Streit geraten. Die Kassen weigerten sich zunächst, die Satzung aufzusetzen.

Am Ende gab der GKV-Spitzenverband seine Blockade auf und schrieb eine Satzung, in der sich die Krankenkassen weitreichende Befugnisse gesichert haben. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat diese Satzung abgesegnet. Sie wird derzeit von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, die die Stiftungsaufsicht in Berlin hat, geprüft.

Eine Frage der Lesart

Ein Argument für die Gründung einer Stiftung war für die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, die Beratung zu verstetigen und damit auch qualifizierten Mitarbeitern eine dauerhafte Perspektive zu geben.​ Das hatten verschiedene Abgeordnete der Parteien mehrfach betont.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am 26. Januar dieses Jahres im Parlament in der ersten Bera­tung zum Gesetz erklärt, er wolle, dass alle Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, die für die jetzige UPD ar­bei­ten, in die neue Struktur über­führt werden.

Auch BMG-Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) hatte am 31. März dieses Jahres im Bundesrat die Bedeutung der Mitarbeitenden für die UPD ange­sprochen. „Mit der Verstetigung erhalten diese endlich eine dauerhafte Perspektive. Das freut mich sehr, denn wir können es uns eigentlich nicht leisten, diesen enormen Wissens- und Erfahrungsschatz in der Patienten­beratung zu verlieren“, so Ditt­mar. Sie würde es „sehr begrüßen“ – und der politische Wille dazu sei auch schon kommuniziert worden –, wenn viele Mitarbeitende der bisherigen UPD ihr Wissen bestmöglich auch in die künftige UPD einbrin­gen könnten.

Die Aussagen Lauterbachs und Dittmars seien aber nie so zu interpretieren gewesen, dass eine direkte Übernahme der Mitarbeiter geplant gewesen sei, stellte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) jetzt auf Nachfrage klar. Man habe bereits in den Koalitionsfraktionen in den UPD-Eckpunk­ten im vergan­genen Jahr vereinbart, dass kein Betriebsübergang von der UPD gGmbH zur Stiftung UPD er­folgen sollte.

Betriebsübergang nicht vorgesehen

In den Eckpunkten, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen, heißt es: „Ein Betriebsübergang (§ 613a BGB) der jetzigen UPD gGmbH wird nicht vorgesehen. Durch die Übernahme von Konzepten und Materialien – wie bereits in der Vergangenheit vorgesehen – soll einem Wissensverlust vorgebeugt werden, mit dem Ziel, einen reibungslosen Übergang zur neuen UPD ab 1. Januar 2024 zu gewährleisten. Um den Mitarbeitenden der jetzigen UPD wertschätzend eine berufliche Perspektive zu geben und um einem Wissensverlust vorzubeugen, wird die Übernahme von Mitarbeitenden von der neuen UPD geprüft.“ Die Aussagen aus dem Eckpunktepapier lassen sich aber nicht 1:1 im Gesetz für die UPD-Stiftung oder der Begründung wiederfinden.

Das Ministerium erläuterte weiter, die damaligen Pläne hätten bedeutet, „dass die bisherigen Mitarbeitenden, die einen Arbeitsvertrag mit Sanvartis/UPD gGmbH haben, nicht automatisch in die neu zu errichtende Stiftung übernommen werden, sondern sich dort aktiv bewerben müssen“.

Der Sprecher sagte, das sei auch frühzeitig aktiv gegenüber Sanvartis/UPD gGmbH und dem Betriebsrat kommuniziert worden. Der UPD-Betriebsrat bestätigte, dass er von der Staatssekretärin im Dezember des vergangenen Jahres über deren Ansichten informiert worden sei. Man habe aber deutlich gemacht, dass man damit nicht einverstanden sei. Danach habe es keine Gespräche mehr zwischen dem Ministerium und dem Betriebsrat gegeben.

Der Ministeriumssprecher erläuterte weiter, Beschäftigte der neuen UPD-Stiftung erhielten – nach einer erfolgreichen Bewerbung – eine dauerhafte Arbeitsperspektive. „Das BMG ist selbst weder Arbeitgeber noch Stifter, würde es aber sehr begrüßen, wenn viele der aktuell Beschäftigten auch in der neuen Stiftung UPD ihre Expertise einbringen können“, erklärte der Sprecher.

Es sei die Aufgabe des künftigen Stiftungsvorstandes und des Stiftungsrats, eine adäquate Beratungsstruktur aufzubauen und das notwendige Personal einzustellen. Die Personalauswahl gehöre nicht zu den Aufgaben des GKV-Spitzenverbands. Da das Ministerium ein „großes Interesse“ daran habe, dass die Stiftung zum 1. Januar 2024 ihre Tätigkeit aufnehmen könne, stehe man im Austausch mit dem Patientenbeauftragten, dem Stifter und den Patientenorganisationen.

Betriebsrat verwundert

Der Betriebsratsvorsitzende der UPD, Rolf-Dieter Becker, zeigte sich verwundert, dass das BMG keinen geordneten Übergang für die rund 100 Beschäftigten angestrebt hat. Die Übernahme der bisherigen Mitarbeiter garantiert aus seiner Sicht, dass die neue UPD-Stiftung zügig mit ihrer Arbeit beginnen könnte. Becker sieht auch die künftige Beratung der UPD-Stiftung in Gefahr. In der Kürze der Zeit seien gar nicht so viele qualifizierte Berater zu bekommen, wie notwendig wären, sagte er.

Becker ist darüber hinaus der Ansicht, dass die neue UPD-Stiftung die bisherigen Mitarbeiter übernehmen muss – unabhängig vom politischen Willen des Ministeriums. Der Grund: Die Satzung der UPD-Stiftung sowie die Details aus der Abwicklungsvereinbarung zwischen der UPD gGmbH, Sanvartis und dem GKV-Spitzenverband könnten juristisch einen Betriebsübergang im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Paragraf 613a BGB) darstellen.

Das sieht auch Arbeitsrechtler Stefan Pflug, Kanzlei rechtsinformer Rechtsanwälte Osnabrück - Berlin - Köln, den der UPD-Betriebsrat engagiert hat, so. „Das BGB gilt auch für das Bundesministerium für Gesundheit“, sagte der Rechtsvertreter der Beschäftigten dem Deutschen Ärzteblatt. In der Klageschrift an das Arbeitsgericht Berlin listet er eine Reihe von Details auf, die im Sinne des BGB einen Betriebsübergang kennzeichnen. Dazu gehört unter anderem, dass sich der Zweck und der Inhalt der neuen UPD-Stiftung genauso lesen wie der Auftrag an die bisherige UPD gGmbH.

Darüber hinaus ist in der Abwicklungsvereinbarung geregelt, dass zum Beispiel Domainnamen, Wort-Bild-Marken, Hotline-Nummern, Inhalte des Internetauftritts, Inhalte des internen Wikis – einer Wissensdatenbank – und die Struktur der Kontaktdokumentation an den GKV-Spitzenverband übergeben werden, um dann später an die neue UPD-Stiftung überzugehen.

Kriterien für einen betriebsmittelarmen Übergang

Arbeitsrechtler Pflug bezeichnet diese Dinge als Kriterien, die einen betriebsmittelarmen Übergang kennzeichnen. Und bei einer solchen Übernahme übernehme man stets „die Mitarbeiter mit“. Dabei spiele es keine Rolle, ob ein Preis bezahlt werde oder nicht. „Das ist dem BGB egal“, so Pflug, der auch darauf hinweist, dass der Betriebsart nicht ordentlich angehört worden sei.

Für ihn ist es „nicht nachvollziehbar“, warum sich der gesetzliche Verstetigungsprozess im vorliegenden Fall nur auf die materiellen und immateriellen Betriebsmittel und den Betriebszweck beziehen sollte, jedoch nicht auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Das hat er auch so in der Klageschrift betont.

Kleine Nebenaspekte sind auch, dass bei der Übergabe Verstöße gegen den Datenschutz vorliegen könnten. Denn der Satzung zufolge sollen Datensätze an den GKV-Spitzenverband beziehungsweise einen Dienstleister ITSG gehen, die personenbezogenen Daten der Mitarbeiter ebenso wie von Menschen enthalten könnten, die Beratung angefragt haben. Pflug will diese Details noch genauer verfolgen.

Ob ein Betriebsübergang vorliegt, muss am Ende zunächst das Arbeitsgericht Berlin entscheiden, bei dem voraussichtlich Ende kommender Woche eine Reihe von Beschäftigten der UPD gGmbH Kündigungsschutzklagen einreichen werden. Sie hatten ihre Kündigungen am 19. und 20. September erhalten.

Bis das Arbeitsgericht die Klagen abschließend behandelt haben wird, könnte viel Zeit vergehen. Ein erster Gütetermin könnte Anfang November stattfinden. Anwalt Pflug hat in der Klageschrift für die Beweisführung Zeugen benannt, die gerichtlich geladen werden sollen. Darunter finden sich auch die Namen von BMG-Staatssekretärin Dittmar und aller Ministerpräsidenten der Bundesländer.

Mit einer Entscheidung des Gerichts könne, falls es keine Verständigung gibt, gegebenenfalls Ende 2024 zu rechnen sein. Weitere zeitliche Verzögerungen würde der Weg durch die Instanzen zum Landesarbeitsgericht und gegebenenfalls dem Bundesarbeitsgericht bringen.

Die neue UPD-Stiftung dürfte sich aber schon in der Aufbauphase mit den juristischen Problemen befassen müssen. Denn am Ende könnte ein Urteil stehen, welches besagt, dass die Mitarbeiter der alten UPD gGmbH in der neuen UPD-Stiftung weiterbeschäftigt werden müssten. Dann wären darüber hinaus auch alle Gehälter rückwirkend nachzuzahlen.

Rechtsanwalt Pflug betonte, der Betriebsrat und er stünden weiterhin für Gespräche mit der UPD gGmbH, dem GKV-Spitzenverband und auch der Politik bereit. „Wir würden uns gerne mit allen zusammensetzen, um eine für alle Seiten befriedigende Lösungen zu erarbeiten“, sagte Pflug. Bislang hätte aber keiner das Angebot des Betriebsrats, der sich in außergewöhnlicher Weise engagiere, angenommen. „Unsere Türen stehen offen“, sagte Pflug.

Aus seiner Sicht sind die bisherigen Mitarbeitenden der beste Garant für die Unabhängigkeit der zukünftigen UPD. „Erschreckend“ ist für ihn, wie wenig sich das Bundesgesundheitsministerium für die Interessen der Arbeitnehmer – allesamt aus dem Gesundheitswesen – interessiert. „Nur Klatschen reicht nicht, nun können Herr Lauterbach und Frau Dittmer zeigen, dass sie sich auch für die Interessen der Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen engagieren“, so Pflug.

may/bee

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