Hebammenversorgung: Studie zeigt Defizite in Bayern auf

München – In Bayern sind zwar viele Mütter grundsätzlich mit der Qualität der Hebammenbetreuung zufrieden. Dennoch gibt es erhebliche Probleme, wie eine aktuelle IGES-Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat zeigt, die das Gesundheitsministerium heute veröffentlichte. Demnach gab beispielsweise mehr als jede vierte befragte Mutter an, dass es schwierig war, eine Hebamme für eine Schwangeren- oder Wochenbettbetreuung zu finden.
Zudem berichtete die Mehrheit der befragten Geburtskliniken von Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Hebammenstellen. 60 Prozent der Kliniken in Bayern arbeiten laut Untersuchung mit freiberuflich tätigen Beleghebammen. Fast ein Drittel der befragten freiberuflichen Hebammen denkt der Untersuchung zufolge bereits oft oder sehr oft an eine Aufgabe des Hebammenberufs.
Nachfrage übersteigt Angebot
Zwar habe der Großteil der befragten Mütter im Krankenhaus entbunden (95,5 Prozent), zum Großteil auch im Krankenhaus ihrer Wahl, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Aber in manchen Bereichen wie etwa der Wochenbettbetreuung von Mutter und Säugling übersteige die Nachfrage bereits heute das Angebot. Darüber hinaus sei bei Geburten in Kliniken künftig verstärkt ein Hebammenengpass zu erwarten, wenn nicht erfolgreich gegengesteuert werde, sagte sie.
Der Untersuchung zufolge waren nur etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) der rund 2.700 freiberuflichen Hebammen im Jahr 2016 in der Geburtshilfe tätig. Zugleich steigt die Zahl der Geburten in Bayern weiter an. Der Geburtenzuwachs in Bayern lag mit rund 18,2 Prozent im Zeitraum 2011 bis 2016 stärker als im Bundesdurchschnitt (+16,9 Prozent).
Nur rund zwei Drittel der Hebammen arbeiten Vollzeit
In den Geburtskliniken waren der Untersuchung zufolge in Bayern 731 Hebammen angestellt. Rund 13 Prozent der Hebammen sind kombiniert angestellt und freiberuflich tätig. 66 Prozent der angestellten und etwa 57 Prozent der freiberuflichen Hebammen haben 2016 in Vollzeit gearbeitet. Die Analyse zeigt auch, dass sich die Arbeitszeit sowohl der angestellten, als auch der freiberuflichen Hebammen in den vergangenen Jahren aufgrund von Personalbedarf und der steigenden Geburtenzahl teilweise deutlich erhöht hat.
Trotz der Defizite zeigten sich Mütter und Schwangere mit der Qualität der Hebammenversorgung zufrieden. „Insgesamt war die große Mehrheit der befragten Mütter sehr zufrieden sowohl mit der individuellen Schwangerenbetreuung, als auch mit der Hebammenbetreuung bei einer außerklinischen Geburt und den Leistungen rund um die Geburt im Krankenhaus“, sagte Huml. Die Analyse zeige aber auch, dass man für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung in Zukunft mehr Hebammen für die Geburtshilfe und die Wochenbettbetreuung gewinnen müsse.
Die Studienautoren leiten aus den Befragungen mehrere Handlungsoptionen für die Politik ab. Dazu gehöre ein verlässliche, umfassende und kleinräumliche Statistik über das Hebammenangebot im Freistaat. Darüber hinaus schlagen die Autoren Hebammenvermittlungen vor, um Angebot und Nachfrage besser zueinander zu bringen. Grund sei unter anderem, dass es in den Befragungsergebnissen eine „erkennbare Diskrepanz“ zwischen der von den Hebammen berichteten Häufigkeit von Anfrageüberhängen einerseits und der letztlich ungedeckten Nachfrage nach Hebemmanleistungen andererseits gebe. Dies deute darauf hin, dass der Vermittlungsaufwand relativ hoch sei und möglicherweise mit Reibungsverlusten verbunden sei.
Die Autoren regen zudem an, dass Frauenärzte den Vermittlungsprozess stärker unterstützen. Diese spielten den Ergebnissen der Mütterbefragung zufolge „als Informationsquelle für die Hebammensuche bislang nur eine untergeordnete Rolle“, schreiben die Autoren. Da Frauenärzte mit nahezu allen Schwangeren in Kontakt seien und in der Regel die Schwangerschaft feststellten, könnten sie routinemäßig sowohl auf die bestehenden Ansprüche auf Hebammenhilfe als auch auf (neue kommunale) Vermittlungsstellen hinweisen. In den Expertengesprächen wurde mehrfach empfohlen, dass Frauenärzte sowie Hebammen(verbände) dabei kooperieren sollten.
Mehr Ausbildungsplätze, bessere Bezahlung
Als weitere Ansatzpunkte empfehlen die IGES-Autoren, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. „Da der Freistaat für die Finanzierung der Berufsfachschulen zuständig ist,
kann er eine Erhöhung der Anzahl der Ausbildungsplätze erwirken. Darüber hinaus
sollte die Option geprüft werden, Klinikträger, die sich in der Hebammenausbildung
engagieren, gezielt finanziell zu fördern, um die Anzahl an Absolventinnen zu
erhöhen“, heißt es.
Letztendlich ist auch eine bessere Bezahlung notwendig. „Dass in der Geburtshilfe deutlich mehr Hebammen ihr Leistungsangebot eingeschränkt bzw. ganz eingestellt als ausgebaut haben sowie die Probleme der Geburtskliniken, vakante Hebammenstellen zu besetzen, lassen Maßnahmen zur Sicherung der Hebammenleistungen in der Geburtshilfe notwendig erscheinen“, schreiben die Wissenschaftler. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass die Handlungsmöglichkeiten auf Bundeslandebene begrenzt sind. Bei der Frage der Vergütung sei die Bundesebene am Zug. Das Land Bayern könne aber darüber nachdenken, Strukturen anzupassen und Geburtszentren zu gründen oder Hebammen, die in der Geburtshilfe tätig seien, bleiben oder werden wollten, direkt finanziell zu fördern.
Runder Tisch wird fortgesetzt
Die CSU-Politikerin Huml kündigte heute an, dass Bayern seine Initiativen für die Sicherstellung einer flächendeckenden Hebammenversorgung im Freistaat weiter ausbauen will. Das hatte das Kabinett bereits bei seiner Sitzung am 24. Juli beschlossen. Im Herbst soll nach Angaben der Ministerin der Anfang Mai 2017 eingerichtete Runde Tisch mit allen von der Hebammenversorgung betroffenen Institutionen und Verbänden fortgesetzt werden. Dabei sollen auch die Ergebnisse der Studie eine Rolle spielen.
An der Befragung des IGES-Instituts aus Berlin haben 1.084 Hebammen, 1.346 Mütter, 44 Kliniken sowie sieben Hebammenschulen teilgenommen.
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