Politik

Homöopathische Therapien sollen auf den Prüfstand

  • Montag, 29. August 2016

Berlin – Nach dem Tod mehrerer Patienten in einer alternativen Krebsklinik am Nieder­rhein werden Forderungen laut, homöopathische Therapien auf den Prüfstand zu stellen und über die Erstattungsfähigkeit nachzudenken. Die Argumentationen gerieten völlig durchein­ander, kritisierte der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte daraufhin.

Die Debatte angestoßen hatte der Vorsitzende des Gemeinsamen Bun­des­aus­schusses, Josef Hecken. Er sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Behand­lun­gen durch Heil­praktiker sollten verboten wer­den können, wenn deren medi­zi­nischer Nutzen nicht er­wie­sen sei. Krankenkassen dürften auch freiwillig nicht Dinge finanzieren, für die „es keine Evidenz gibt“. Bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs müsse eine homö­opa­thi­sche Therapie auch Selbstzahlern verboten werden können, solange die Wirksam­keit nicht mit Studien belegt worden sei.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) unterstützt den Vorstoß. Ohne nachge­wiesenen Nutzen dürfe es keine Finanzierung durch die gesetzliche Kran­ken­­versiche­rung geben, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Das Geld sollte eher in die unterfinanzierten ärztlichen und psychotherapeutischen Leis­tun­gen der Regelver­sorgung fließen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) betonte hingegen, dass ho­mö­opathische Arzneimittel auch in Zukunft als Satzungsleistungen von der GKV erstattet werden können sollten. „Natürlich können schwerwiegende Krankheiten wie Krebs nicht allein durch alternative Medizin geheilt werden“, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. Wer aber die Homöopathie als ergänzende und in der Regel nebenwir­kung­s­­arme Behandlung verbieten wolle, beschneide die Therapievielfalt und bevor­mun­de zahlreiche Patienten.

Vom GKV-Spitzenverband hieß es auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes, man sei der Auffassung, dass Krankenkassen selbst entscheiden sollten, welche Satzungs­leis­tungen sie anbieten. „Wir bewerten das nicht“, sagte ein Sprecher.

Heilpraktikerbehandlung, Homöopathie und Erstattung vermengt
Der erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, warnte unterdessen in der FAZ davor, die Frage der Erstattungsfähigkeit homöopathischer Therapien mit Regu­lie­rungs­bedarf beim Beruf des Heilpraktikers zu vermengen. Henke hatte bereits in der ver­gangenen Woche angeregt, das Heilpraktikergesetz auf den Prüfstand zu stellen. Es sei zu hinterfragen, ob man die Erlaubnis so undifferenziert erteilen sollte wie bisher – oder ob man über Begrenzungen oder Konkretisierungen der Erlaubnis nachdenken müsse, sagte Henke, der zugleich Präsident der Ärztekammer Nordrhein ist, der DAZ.online. Er schlug vor, den Weg der Schweiz zu prüfen und alle invasiven Therapien für Heilpraktiker auszuschließen.

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) warnte ebenfalls davor, in der De­batte um den Tod der Patienten des alternativen Krebszentrums die Din­ge zu ver­mischen. „Das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun“, sagte DZVhÄ-Vor­sitz­en­de Cor­­nelia Bajic. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin betonte, es sei „legitim, da­rüber nach­zudenken, ob man das Gesetz nicht einmal an die aktuellen medizi­nischen Ge­ge­ben­­hei­ten anpasst“. Das Heilpraktikergesetz in seiner derzeitigen Fassung stammt aus dem Jahr 1939.

Allerdings habe der Heilpraktiker im alternativen Krebszentrum die Patienten mit dem Arzneistoff 3-Bromopyruvat behandelt. Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft sei das Mittel nicht als Medikament zugelassen, seine Anwendung sei aber auch nicht aus­drück­lich verboten. Dem DZVhÄ zufolge handelt es sich dabei „nicht um eine homöopathische Behandlung und ebenfalls nicht um ein homöopathisches Arzneimittel“.

Trotzdem würden verschiedene Medien den Bezug zur Homöopathie herstellen. „Auf Basis dieser falschen Berichterstattung wird eine Debatte über ein Erstattungs­ver­bot homöo­pathi­scher und/ oder komplementärer Methoden für gesetzliche Kranken­kassen initiiert“, bemängelte der DZVhÄ.

Der Verein kritisierte auch, dass G-BA-Chef Hecken die Tatsachen zur Erstattungs­fähig­keit falsch darstelle. Demnach erstatteten rund zwei Drittel aller Krankenkassen bei Ver­tragsärzten mit Zusatzausbildung „Homöopathie“ die Therapie im Rahmen von Selek­tiv­verträgen. Diese Ärzte seien Fachärzte, die in aller Regel in der hausärztlichen Versor­gung tätig seien. Heilpraktikerleistungen seien aber ausgeschlossen. Die Arzneimittel zahle der Patient laut DZVhÄ meist selber, es sei denn, er habe eine Zusatz­versiche­rung abgeschlossen, oder seine Krankenkasse bietet eine Satzungsleistung an.

kna/may

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