Ärzteparlament positioniert sich zu Sedierungen, Kritik der Zahnärzte

Mainz – Die intravenöse Gabe von Sedativa unterliegt dem Arztvorbehalt. Bei einer Delegation an nicht ärztliches Personal ist diese nur unter ärztlicher Aufsicht auszuführen. Das haben die Abgeordneten des 128. Deutschen Ärztetags in Mainz klargestellt – und damit auch Kritik ausgelöst.
In einem Beschluss (Ic-76) erklären die Delegierten, eine ausschließliche Anwendung durch Nichtärzte – wie zum Beispiel Zahnärzte ohne Anwesenheit oder Aufsicht einer Ärztin oder eines Arztes – widerspreche sowohl den Fachinformationen als auch den Leitlinien zu Sedierungen.
Insbesondere im zahnärztlichen Bereich würden Ausbildungscurricula beworben, die Zahnärzte in die Lage versetzen sollten, eine intravenöse Sedierung ohne Anwesenheit eines Arztes durchführen zu können, heißt es in der Begründung des angenommenen Beschlusses.
Die Fachinformationen für die intravenöse Anwendung von Sedativa fordere sowohl spezifisch erfahrene beziehungsweise ausgebildete Ärztinnen und Ärzte beziehungsweise die ärztliche Anwesenheit und Aufsicht im Rahmen von Delegationen an geschultes nicht ärztliches Personal.
Die entsprechende apparative Ausstattung zur Überwachung und Unterstützung der Atem- und Herz-Kreislauf-Funktionen sei dabei ebenfalls sicherzustellen, so der Ärztetag.
Darüber hinaus würden in den Leitlinien zur intravenösen Sedierung – beispielsweise bei endoskopischen Verfahren in der Gastroenterologie oder Eingriffen in der Kardiologie – spezifische Anforderungen formuliert, die ausschließlich nur von Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise bei Delegation von unter ärztlicher Aufsicht stehendem geschultem Personal erbracht werden könnten.
„Risikoevaluation, Risikoaufklärung, die Durchführung bzw. Delegation von intravenösen Sedierungen bis hin zur Beherrschung von möglichen Komplikationen sind in Zusatzcurricula für Nichtärzte nicht vermittelbar. Ferner ist die intravenöse Applikation von Sedativa nicht von § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) gedeckt“, heißt es wörtlich.
Der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) zeigte sich erfreut über das Votum. Er warnte zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) seit längerem insbesondere davor, dass die intravenöse Verabreichung von Narkosemitteln für Patienten im Falle von Komplikationen jederzeit hochriskant sein könnten.
Die intravenöse Sedierung gehöre in die Hände erfahrener und speziell ausgebildeter Fachärzte mit entsprechender apparativer Ausstattung zur Überwachung und Unterstützung der lebenswichtigen Funktionen, um die entsprechende Patientensicherheit zu gewährleisten.
Schon vor Jahren hatten BDA, DGAI und der Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) gemeinsam die „Vereinbarung zur Qualitätssicherung ambulanter Anästhesie“ verfasst, die bis heute Gültigkeit besitzt. Darin sind unter anderem die räumlichen Anforderungen für Narkosen bei ambulanten Operationen sowie die Qualifikation von Anästhesisten und ihres Assistenzpersonals festgehalten.
„Die breite Zustimmung des 128. Ärztetages zu unserer Sichtweise unterstreicht die Bedeutung der ärztlichen Kompetenz bei der intravenösen Sedierung und bestätigt, dass die Sicherheit und das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten stets oberste Priorität haben müssen“, sagte BDA-Präsidentin Grietje Beck.
Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) und der Bundesverband Deutscher Oralchirurgen (BDO) wiesen den Beschluss des Ärztetages hingegen heute „aufs Schärfste“ zurück. Sie zeigten sich empört darüber, dass Zahnärzte in die Gruppe der Nichtärzte eingeordnet würden und demnach nur unter Aufsicht einer Ärztin oder eines Arztes entsprechende Anwendungen vornehmen dürften.
Die Verbände kritisierten, dass Zahnärzten sowohl ärztliche Handlungsfähigkeit als auch Kompetenzen abgesprochen würden. Der vom Medizinischen Fakultätentag (MFT) verabschiedete nationale, kompetenzbasierte Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) beschreibe die intravenöse Analogsedierung sowie die intravenöse Gabe von Medikamenten – unter anderem von Sedativa – als integrale Bestandteile der Zahnmedizin.
In den meisten, von den zuständigen Ministerien der Länder beschlossenen Weiterbildungsordnungen für das Fachgebiet Oralchirurgie sei zudem die selbstständige Durchführung von Sedierungsverfahren als Handlungskompetenz hinterlegt.
„Sedative Verfahren ermöglichen in vielen ambulanten Zahnarztpraxen überhaupt erst, medizinisch notwendige Eingriffe – beispielsweise bei Kindern, Angstpatienten, Patienten mit Herzerkrankungen oder Patienten mit Behinderungen“, sagt BDO-Vize Martin Ullner. „Dieser Beschluss beschneidet die Kompetenzen unseres gesamten zahnärztlichen Berufsstandes.“
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