Ärztetag lehnt öffentliche Listen mit Namen psychisch Kranker ab

Erfurt – Der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt hat eine gesonderte Speicherung der Daten psychisch Kranker entschieden abgelehnt und sowohl die Bundes- als auch die Landesregierungen aufgefordert, entsprechende Gesetzesvorhaben zu stoppen oder bereits getätigte Vorlagen zurückzunehmen.
„Eine Speicherung von Daten, die psychisch Kranke diskriminieren und in ihrer Lebensgestaltung einschränken, widerspricht nicht nur dem Datenschutz, sondern auch dem Gleichbehandlungsgesetz“, betonten die Delegierten. Darüber hinaus entbehre der Generalverdacht, dass untergebrachte Patienten ein besonders hohes Gewaltrisiko für die Allgemeinheit darstellten, einer wissenschaftlichen Grundlage.
Eine Stigmatisierung durch Aufnahme in eine Gefährderdatei würde dazu führen, dass die Betroffenen ihre Erkrankung verbergen und keine psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, so die Delegierten.
Gesetz ist ein Skandal
Hintergrund ist das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das im April im bayerischen Landtag in erster Lesung beraten worden war. Darin war unter anderem zunächst vorgesehen, eine Datei bei den bayerischen Behörden einzuführen, in der alle Menschen dokumentiert werden, die auf Anordnung eines Gerichts in eine Psychiatrie eingewiesen wurden. Festgehalten werden sollten der Name des Betroffenen, sein Familienstand, die Diagnose und die Dauer der Unterbringung.
Nach heftiger Kritik an dem Gesetzentwurf hatte Bayerns Landesregierung Ende April Korrekturen angekündigt. Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) hatte im Anschluss an eine Kabinettssitzung in München erklärt, dass auf die Unterbringungsdatei „vollständig verzichtet“ werden solle.
Der Ärztetag forderte heute, dass zeitgemäße „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetze“ in den einzelnen Bundesländern verabschiedet werden, die „klare Kriterien und Strukturen für Behandlung, Beteiligung und Hilfe“ festlegen. Zudem gehe es darum, klare Bedingungen zu definieren, wann und wie eine Behandlung auch gegen den Willen der Patienten erfolgen darf.
Ärztetag spricht sich für teilweise Krankschreibung aus
Zudem hat der Deutsche Ärztetag den Gesetzgeber dazu aufgefordert, die Grundlage dafür zu schaffen, dass Ärzte ihre Patienten teilweise arbeitsunfähig schreiben können. Mithilfe einer solchen „Arbeitsminderung“ soll die Möglichkeit geschaffen werden, für eine begrenzte Zeit weniger zu arbeiten. Der Begriff lehnt sich an den Terminus „Erwerbsminderung“ an.
„Speziell bei psychischen Störungen, insbesondere den Depressionen, gibt es wiederholt das Problem, dass eine Krankschreibung eher zu einer Verstärkung der Symptomatik führt und bezüglich der Heilung kontraproduktiv ist“, erklärte der Ärztetag. Mit einer „Arbeitsminderung“ könnten die Tagesstruktur und der soziale Kontakt erhalten bleiben.
Bayerische Bezirketag mahnt weitere Korrekturen an
Wie der Ärztetag hat heute auch der Bayerische Bezirketag eine Überarbeitung des geplanten Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes angemahnt. Auch der neue Entwurf, der Mitte Juni vorgelegt werden soll, müsse noch um einige Details ergänzt werden, sagte Bezirketagspräsident Josef Mederer heute in Regensburg.
Die Staatsregierung hatte angesichts der Kritik unter anderem auf die Einführung einer Zentraldatei zur Erfassung sämtlicher in der Psychiatrie untergebrachter Patienten verzichtet. Dem Bezirketag nach soll die Polizei künftig nur dann über die Entlassung eines Patienten informiert werden, wenn dieser zuvor auch von der Polizei vorläufig in der Psychiatrie untergebracht wurde – damit die Beamten die Akte schließen können, sagte Mederer. Zudem fordert der Bezirketag eine Präambel im Gesetz, die dessen Ziele und Anwendungsbereiche erläutert.
Das Gesetz müsse das Ziel der Heilung haben, nicht der Gefahrenabwehr, bekräftigte Mederer. Denn: „Heilung ist die beste Gefahrenabwehr.“ Dieses Anliegen sei in der vor gut zwei Wochen vorgestellten, entschärften Version des Gesetzes bereits berücksichtigt worden. Psychisch Kranke dürften nicht stigmatisiert werden, indem man sie wie Straftäter behandele.
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