Ärzteschaft

Ärztetag soll über telemedizinische Erstdiagnose entscheiden

  • Montag, 18. Dezember 2017
/Andrey Popov, stock.adobe.com
/Andrey Popov, stock.adobe.com

Berlin – Das Fernbehandlungsverbot beim Erstkontakt zwischen Arzt und Patient könnte fallen. Eine Expertengruppe der Bundesärztekammer (BÄK) aus Ärzten und Juristen hat sich nach Angaben von BÄK-Vorstandsmitglied Franz Bartmann dafür ausgesprochen, Diagnosen über den Bildschirm oder per Telefon künftig zumindest in Ausnahmefällen zu erlauben. Beim nächsten Deutschen Ärztetag im Mai 2018 in Erfurt wollen Ärztevertreter darüber beraten und voraussichtlich auch entscheiden.

Zurzeit dürfen Ärzte nur Folgebehandlungen per Videosprechstunde anbieten, wenn sie den Patienten bereits in ihrer Praxis behandelt haben. Sie können etwa schauen, ob eine Wunde gut heilt. In Baden-Württemberg gibt es allerdings seit einigen Wochen ein Modellprojekt zur ausschließlichen Fernbehandlung von Privatversicherten. Die Lan­des­ärz­te­kam­mer hatte das auf zwei Jahre angelegte Vorhaben im Oktober genehmigt. Die Ärztekammer Baden-Württemberg hatte dafür bereits Ende 2016 ihre Berufs­ordnung geändert. In diesem Modellprojekt sollen künftig auch gesetzlich Kranken­versicherte im Erstkontakt telemedizinisch versorgt werden können.

In Pilotprojekten bewährt

„Die Änderungen im Bereich der Fernbehandlung sind wichtig, um Telemedizin in Deutschland zu stärken“, erläuterte Bartmann. So könnten kompetente Diagnosen aus der Ferne etwa helfen, auf dem Land trotz Ärztemangels eine gute Gesundheits­versorgung sicherzustellen, sagte auch Gisbert Voigt vom Vorstand der niedersächsischen Ärztekammer.

In Pilotprojekten etwa in Nordrhein-Westfalen und in Berlin hatten Pfleger aus Altenheimen den Hausarzt per Videoschalte zu den Bewohnern geholt. „So haben Ärzte und Patienten seltener lange Anfahrtswege und Wartezeiten. Das ist auch in der Stadt praktisch“, sagte Voigt. Auch Hausärzte zogen in Pilotversuchen schon per Videoschalte Spezialisten zurate.

Gesundheitsexperten der Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützen den Vorstoß der Ärzte. „In Ländern wie der Schweiz und Großbritannien gehört Telemedizin bereits zur Regelversorgung“, sagt Referentin Susanne Mauersberg. Diese sei für bestimmte Medizinfelder gleich gut wie ein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient. Mauersberg glaubt, dass Videosprechstunden in Zukunft ein ganz normaler Bestandteil der Versorgung sein werden. Für knapp jeden zweiten Deutschen wäre es kein Problem, mit einem Arzt am Bildschirm zu sprechen, fand die Bertelsmann Stiftung 2015 heraus. Bei anderen Befragungen war die Zustimmung der Patienten allerdings niedriger.

In Deutschland bieten derzeit erst einige Hundert Ärzte Videosprechstunden an, wie es von den zertifizierten Anbietern von entsprechender Software heißt. Der Hauptgrund dafür liegt aus Sicht der Ärztekammern bei den Krankenkassen, die zu wenig für Videosprechstunden bezahlen würden. Für eine Software, die Mediziner sicher mit Patienten sprechen lässt, müssen diese 30 bis 70 Euro pro Monat bezahlen. Gleichzeitig dürfen sie höchstens 800 Euro pro Jahr abrechnen und auch nur für vergleichsweise günstige Folgebehandlungen.

Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Martina Wenker, meint außerdem, dass viele ältere Kollegen noch den Sinn von Telemedizin bezweifelten. Jüngere Ärzte seien hingegen offener für die Technik und dafür, dass sich damit ihr Berufsbild ändere. „Für viele Landärzte wie mich ist das Internet aber noch zu schlecht, um Video­sprech­stunden anzubieten“, sagte Kinderarzt Voigt aus Melle in der Nähe von Osnabrück. Der Osnabrücker Hausarzt Micha Neubert ist da schon einen Schritt weiter, er bietet seit Jahresanfang eine Online-Sprechstunde an. „Ich will meinen Patienten einen Service bieten, aber zurzeit mache ich damit noch Verluste“, sagte er.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung