Politik

Erstbehandlungs­verbot über Telemedizin kommt auf den Prüfstand

  • Dienstag, 12. Dezember 2017
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Berlin – Mehr „proaktives Denken“ von den Akteuren der Selbstverwaltung sei nötig, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens schneller in der Fläche voranzubringen und das E-Health-Gesetz umzusetzen. Das forderte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, bei der gestrigen Eröffnung des Nationalen Fachkongresses Telemedizin in Berlin. Telemedizinische Anwendungen seien vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der verstärkten Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Ärzten zunehmend wichtig, um etwa die vernetzte Behandlung über Entfernungen hinweg sicherzustellen.

„Wir brauchen die Telemedizin“, betonte Stroppe. Schrittweise müssten mehr Anwen­dungen in den telemedizinischen Bereich hineinkommen, sodass damit etwa auch Ärzte in der Uckermark im Konsil auf die Expertise der Charite´ zurückgreifen und bei Bedarf auch große Datenmengen über das Netz austauschen könnten.

Hier müsse die Selbstverwaltung den Schritt machen und solche Anwendungen auch finanzieren, betonte Stroppe. Es sei nicht Sache des Gesetzgebers, für jeden einzelnen Bereich Vorgaben für Abrechnungsmöglichkeiten zu machen. Damit verwies er auch auf die Problematik, dass zahlreiche innovative Telemedizinprojekte auf ihrem Weg in die Regelversorgung etwa durch Verfahrensregelungen scheitern.

Zu überprüfen sei zudem auch das Verbot der Erstbehandlung über Telemedizin, zumindest mit Blick auf hochspezialisierte Fachärzte, die nicht flächendeckend überall vorhanden seien. „Das wird ein Punkt sein, den wir uns sehr genau ansehen müssen“, kündigte er an. „Ich sage heute nicht, dass das freigegeben wird, aber es muss auf den Prüfstand.“

Themen für ein E-Health-Gesetz II

Für die nächste Legislaturperiode wird laut Stroppe zufolge in einem E-Health-Gesetz II die weitere Ausgestaltung der Digitalisierung zu definieren sein. Dazu zählen ihm zufolge vor allem die Themen Telemedizin, die sektorenübergreifende Versorgung, die elektronische Patientenakte sowie die Frage der Nutzung vorhandener Daten etwa für die Qualitätsforschung. Zudem werde die Weiterführung des Innovationsfonds in den Koalitionsgesprächen eine Rolle spielen, kündigte Stoppe an.

„Wer Infrastruktur will, muss Infrastruktur bauen und auch finanzieren“, betonte Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer, in einer Diskussionsrunde. Am Umsetzungswillen der Ärzte solle es generell nicht scheitern. Spätestens seit dem letzten Ärztetag in Freiburg sei eine gewisse Dynamik in das Thema hineingekommen.

Dass Ärzte mittlerweile die Potenziale telemedizinischer Anwendungen für den Praxisalltag erkannt haben und nicht mehr die mögliche Mehrarbeit in den Fokus stellen, sei klar zu beobachten, so Bartmann. Dies sei jedoch nicht Folge des E-Health-Gesetzes, sondern vor allem eine Folge der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung.

Bartmann macht dies auch an der Diskussion zum ausschließlichen Fernbehand­lungsverbot fest: Dass ein Ärztetag beschließe, den Fernbehandlungsparagrafen (§ 7 Abs. 4 der ärztlichen Musterberufsordnung) zu reformieren, wäre ihm zufolge vor anderthalb Jahren undenkbar gewesen. Dies sei der allmählichen Einsicht geschuldet, dass Digitalisierung nicht nur die Arbeit erschwere, sondern Prozesse auch erleichtern könne.

Auf dem nächsten Ärztetag in Erfurt werde daher auch eine Formulierung zum Fernbehandlungsverbot zur Abstimmung kommen, die weit über das Modell in Baden-Württemberg, das eine Genehmigungspflicht der Ärztekammern vorsehe, hinausgehe. Danach werde als Standardbehandlungsmethode immer noch die Präsenzmedizin festgelegt. „In begründeten Einzelfällen kann der Arzt jedoch davon abweichen und zudem auch Patienten behandeln, ohne sie vorher gesehen zu haben“, wie dies in anderen Ländern bereits praktiziert werde, so Bartmann.

Notfalls im Alleingang

Sollte ein solcher Beschluss in Erfurt nicht zustande kommen, „dann werden wir in Schleswig-Holstein aus dem derzeitigen Paragrafen drei Wörter streichen, und zwar insbesondere auch das Wort ,Beratung‘“, meinte der Kammerpräsident. Denn die Beratung sei für die Triage, die etwa über die Rufnummer 116117 vorgesehen sei, wesentlich und müsse über die Berufsordnung erlaubt werden. Andernfalls könnte zwar eine Krankenschwester oder Medizinische Fachangestellte am anderen Ende in der Beratungsstelle sitzen, nur kein Arzt. „Daher besteht hier dringender Handlungsbedarf.“

Weitere Themen der zweitägigen Fachtagung, veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin und der ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH, waren unter anderem die Rolle des Innovationsfonds für den Weg von Telemedizinprojekten in die Regelversorgung sowie die Frage der Evaluationsmethodik zur Nutzenbewertung telemedizinischer Verfahren.

KBr

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