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Amnesty kritisiert Genitaloperationen an intersexuellen Kindern

  • Mittwoch, 10. Mai 2017
/dacasdo, stock.akdobe.com
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Berlin – Operationen an Menschen, die mit einer Variation der Geschlechts­merkmale zur Welt kommen, verstoßen nach Ansicht von Amnesty International gegen Menschenrech­te. Die Eingriffe seien unumkehrbar und könnten langfristige körperliche und seelische Folgen haben, heißt es in einem aktuellen Bericht. Amnesty führte dafür 70 Interviews mit Betroffenen, Aktivisten, Eltern, Ärzten und Experten.

Kinder oder Jugendliche würden häufig operiert oder hormonellen Behandlungen unter­zo­gen, hieß es. „Werden diese Behandlungen ohne akute medizinische Notwendigkeit vorgenommen, verstoßen sie gegen internationale Menschenrechtsstandards wie die Rechte auf Gesundheit und auf Selbstbestimmung“, sagte Maja Liebing, Expertin für Rechte von intergeschlechtlichen Menschen bei Amnesty in Deutschland.

Sie erklärte, in der Praxis würden Ärzte den Eltern häufig Genitaloperationen empfehlen, um die Kinder zu „normalisieren“. Dabei würden die Eltern nur unzureichend über Metho­den und Fol­gen der Operation informiert oder psychologisch unterstützt, betonte Lie­bing. Zwar gebe es gute Leitlinien für die Behandlung von Menschen mit Variationen der Geschlechts­merk­male, diese seien jedoch nicht verbindlich genug, kritisierte Amnesty.

Die Organisation forderte die Bundesregierung auf, dies zu ändern und somit sicherzu­stellen, „dass mit Ausnahme von Notfallbehandlungen keine Eingriffe durchgeführt wer­den“. Operationen sollten wenn möglich aufgeschoben werden, bis das Kind die Reife besitze, um über seinen Körper mitzuentscheiden.

Die Bundesärztekammer (BÄK) hatte bereits 2015 eine Stellungnahme zu „Disorders of Sex Development“ (DSD) veröffentlicht. Ziel der Stellungnahme sei es, die öffentliche De­batte zu versachlichen, hieß es damals. Laut BÄK müsse dem Recht auf Selbstbe­stim­m­ung und dem „Recht auf eine offene Zukunft“ des Kindes müsse Rechnung getragen wer­den.

In der Vergangenheit seien entsprechende Operationen im Säuglings- und Klein­kind­alter durchgeführt, auch wenn sie nicht medizinisch notwendig, häufig unum­kehr­bar waren und oft mit dem Verlust der Empfindungsfähigkeit einhergingen, betonte die BÄK weiter. „Wir brau­chen in unserer Gesellschaft mehr Verständnis für Menschen mit seltenen Vari­anten/Störungen der Geschlechts­entwicklung“, forderte damals BÄK-Vorstands­mitglied Heidrun Gitter.

Als intergeschlechtlich oder intersexuell werden Menschen bezeichnet, bei denen Chro­mosomen und innere oder äußere Geschlechtsorgane nicht eindeutig einem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. In Deutschland sind schät­zungs­­weise 80.000 Menschen be­troffen.

dpa/afp

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