Amnesty kritisiert Genitaloperationen an intersexuellen Kindern

Berlin – Operationen an Menschen, die mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale zur Welt kommen, verstoßen nach Ansicht von Amnesty International gegen Menschenrechte. Die Eingriffe seien unumkehrbar und könnten langfristige körperliche und seelische Folgen haben, heißt es in einem aktuellen Bericht. Amnesty führte dafür 70 Interviews mit Betroffenen, Aktivisten, Eltern, Ärzten und Experten.
Kinder oder Jugendliche würden häufig operiert oder hormonellen Behandlungen unterzogen, hieß es. „Werden diese Behandlungen ohne akute medizinische Notwendigkeit vorgenommen, verstoßen sie gegen internationale Menschenrechtsstandards wie die Rechte auf Gesundheit und auf Selbstbestimmung“, sagte Maja Liebing, Expertin für Rechte von intergeschlechtlichen Menschen bei Amnesty in Deutschland.
Sie erklärte, in der Praxis würden Ärzte den Eltern häufig Genitaloperationen empfehlen, um die Kinder zu „normalisieren“. Dabei würden die Eltern nur unzureichend über Methoden und Folgen der Operation informiert oder psychologisch unterstützt, betonte Liebing. Zwar gebe es gute Leitlinien für die Behandlung von Menschen mit Variationen der Geschlechtsmerkmale, diese seien jedoch nicht verbindlich genug, kritisierte Amnesty.
Die Organisation forderte die Bundesregierung auf, dies zu ändern und somit sicherzustellen, „dass mit Ausnahme von Notfallbehandlungen keine Eingriffe durchgeführt werden“. Operationen sollten wenn möglich aufgeschoben werden, bis das Kind die Reife besitze, um über seinen Körper mitzuentscheiden.
Die Bundesärztekammer (BÄK) hatte bereits 2015 eine Stellungnahme zu „Disorders of Sex Development“ (DSD) veröffentlicht. Ziel der Stellungnahme sei es, die öffentliche Debatte zu versachlichen, hieß es damals. Laut BÄK müsse dem Recht auf Selbstbestimmung und dem „Recht auf eine offene Zukunft“ des Kindes müsse Rechnung getragen werden.
In der Vergangenheit seien entsprechende Operationen im Säuglings- und Kleinkindalter durchgeführt, auch wenn sie nicht medizinisch notwendig, häufig unumkehrbar waren und oft mit dem Verlust der Empfindungsfähigkeit einhergingen, betonte die BÄK weiter. „Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr Verständnis für Menschen mit seltenen Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung“, forderte damals BÄK-Vorstandsmitglied Heidrun Gitter.
Als intergeschlechtlich oder intersexuell werden Menschen bezeichnet, bei denen Chromosomen und innere oder äußere Geschlechtsorgane nicht eindeutig einem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. In Deutschland sind schätzungsweise 80.000 Menschen betroffen.
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