Politik

AOK geht mit Portal zum Austausch von Gesundheitsdaten an den Start

  • Dienstag, 10. Oktober 2017
Bundesregierung hält an elektronischer Gesundheitskarte fest
/contrastwerkstatt, stock.adobe.com

Berlin – Für den AOK-Bundesverband drängt die Zeit: Der Verband der elf regionalen AOKen will bei der Digitalisierung nicht länger auf Entscheidungen der Politik oder Selbstverwaltung warten und hat nun selbst ein Portal zum Austausch digitaler Gesundheitsdaten entwickelt.

Auf dieser Plattform, die zunächst in Mecklenburg-Vorpommern und Anfang 2018 auch in Berlin verfügbar sein wird, sollen AOK-Versicherte ihre Gesundheitsdaten orga­nisieren und beispielsweise Impfpässe hochladen können. Auch Ärzte und Kranken­häuser können ihre Dokumente und Daten einstellen. Damit bekommt der Patient seine Recht auf Einblick in die Untersuchungsdaten und kann auch die selbst erhobenen Messdaten beispielsweise aus Apps einstellen.

Kein geschlossene Netzwerk

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, betonte, dass die digitale Akte keine Insellösung sein soll. „Es ist kein geschlossenes AOK-Netzwerk, es gibt eine Anschlussfähigkeit an Teile der künftigen Telematik-Infrastruktur“, sagte er bei der Vorstellung in Berlin. Bei der Entwicklung habe man auf die technischen Standards gesetzt, die derzeit Branchen üblich seien. Er appelliert auch an alle anderen Entschei­der aus dem Gesundheitswesen, gemeinsame Netze aufzubauen. „Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Netzen der KVen und anderen Klinikunternehmen“, so Litsch.

Das Portal wird zunächst in zwei Regionen getestet: In Mecklenburg-Vorpommern sind ab November 2017 ein Ärztenetz mit 45 Niedergelassenen sowie zwei AMEOS-Kliniken als regionale Klinikträger mit dabei. Im Kreis Vorpommern-Greifswald wird mit rund 8.000 AOK-Versicherten die Plattform gestartet. Das digitale Aufnahme- und Entlass­management soll getestet werden, ebenso wie das Einstellen und Teilen von Doku­menten und ärztlichen sowie persönlichen Vital-Daten und Dokumenten.

Ab 2018 in Berlin im Einsatz

Ab Januar 2018 kommt das Pilotprojekt in die Hauptstadt: Dort hat sich der Kassen­verband neben einem Ärztenetz auch den kommunalen Klinikbetreiber Vivantes sowie den Klinikkonzern Sana als Partner ins Boot geholt. Dann sollen zusätzlich die Funktionen wie ein Medikationsplan, Labordaten sowie einer Online-Termin­vereinbarung gestartet werden.

„Wir sehen in diesem Gesundheitsnetzwerk eine große Chance für Patienten, künftig noch stärker als bisher über Behandlungsoptionen mit zu entscheiden“, erklärte Andrea Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung von Vivantes. Als Internistin sehe sie große Chancen für eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Patienten. Auch beim Klinikkonzern Sana misst man in dem Projekt große Bedeutung zu, beson­ders bei der Überwindung der Sektorengrenzen. Man wolle sich dafür einsetzen, dass das Netzwerk „sukzessive“ in anderen Regionen ausgebaut wird, sagte Jens Schick, Vorstand der Sana Kliniken.

Keine Cloud-Lösung

Wann AOK-Versicherte in den anderen Regionen Deutschlands das Portal nutzen können, ist noch nicht klar. Schritt für Schritt solle es im Laufe des Jahres 2018 erweitert werden. „Wir werden im Rahmen des AOK-Gesundheitsnetzes je nach den regionalen Gegebenheiten unterschiedliche Anwendungen und Services für die Versicherten mit verschiedenen Partnern umsetzen“, heißt es vom AOK-Bundesverband. Offenbar wird dazu derzeit mit verschiedenen Partnern verhandelt.

Um die Datensicherheit zu gewährleisten, werden Daten dezentral gespeichert – anders als bei technischen Lösungen mit Cloud-Funktionen. Die Daten bleiben also beim Erfasser wie in Kliniken oder Arztpraxen, in der Akte selbst werden nur Links zu den ursprünglichen Daten gesetzt, die der Patient dann abrufen kann. „Voraussetzung für dieses Vorgehen ist jedoch, dass die Datenträger immer erreichbar sind. Bei größeren Einrichtungen wie Kliniken oder Medizinischen Versorgungszentren ist dies bereits der Fall“, schreibt die AOK.

Da dies für Einzelpraxen besonders im ländlichen Raum nicht der Fall sei, schlägt der Kassenverband weitaus größere Kooperationen vor: „Deshalb können zentrale Institutionen wie etwa die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung des Landes, die Zentrale eines Arztnetzes oder Verbände der Haus- oder Fachärzte an dieser Stelle unterstützten und die Daten in der Region ablegen.“ Der Patient kann entscheiden, welche Dokumente von wem gesehen werden können. Auch für Ärzte soll es wenig Aufwand sein, die Daten einzusehen und die Akte mit den eigenen Untersuchungs­ergebnissen zu ergänzen.

Die künftige Co-Existenz von verschiedenen Netzen und Angeboten von Krankenkassen sieht Litsch als nicht problematisch an. Gleichzeitig glaubt er nicht, dass es 118 verschiedene Softwarelösungen der Krankenkassen geben wird. „Wir brauchen unterschiedliche, auch regionale Lösungen, die aber natürlich miteinander kommunizieren können müssen.“ Das AOK-Gesundheitsnetzwerk sei offen für alle – Kassen, Krankenhäuser wie Kassenärztliche Vereinigungen. Von der neuen Bundesregierung fordert er bei der Umsetzung der EU-Datenschutzverordnung Augenmaß. Die Verordnung, die bis Mai 2018 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, müsse an die hiesigen Realitäten angepasst werden.

Generell sieht Litsch die Entscheidungsstrukturen in der Gematik als gescheitert an. „Hier gibt es Lösungen aus einer Zeit, die den heutigen Standards nicht mehr entspricht. Das müssen wir überwinden. Wir können uns vorstellen, dass ein unabhängiges Institut wie beispielsweise eine Bundesnetzagentur hier einspringen könne“, so Litsch. Für ihn ist die elektronische Gesundheitskarte inzwischen nur „ein Stück Plastik mit Chip, der für den Patienten keine Anwendung hat. Außer, dass es wir ein Mitgliedsausweis wirkt und so kann er ja erst einmal weiter genutzt werden.“

bee

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