Arztpraxis digital: „Es gibt zu viele Einzellösungen“

Heidelberg – Viele Niedergelassene sind offen für digitale Werkzeuge, die Prozesse vereinfachen, Bürokratie reduzieren und ihnen und ihren Praxisteams die Arbeit erleichtern. Im besten Fall können diese Werkzeuge sogar die Qualität der Versorgung verbessern, so die Hoffnung.
Ein unübersichtlicher Markt, hohe Kosten und viele Insellösungen mit Schnittstellenproblemen hemmen aber oftmals die Umsetzung. Das zeigte eine neue Veranstaltung im Rahmen der Reihe "Praxissalon", die das Deutsche Ärzteblatt veranstaltet.
An einem Mittwochabend waren dazu acht Ärztinnen und Ärzte in die Hausarztpraxis Dr. Schäfer und Dr. Lamers in Heidelberg gekommen. Die Praxis umfasst zwei Stockwerke und liegt zentral in Heidelberg. Acht Ärztinnen und Ärzte arbeiten dort zusammen mit einem großen Praxisteam.
Henrik Lamers, Facharzt für Allgemeinmedizin, stellt drei Werkzeuge vor, die die Praxis verwendet. „Dies sind keine Musterlösungen, sondern einfach die Tools, die wir eingeführt haben. Wichtig ist uns, im Austausch von Ihren Erfahrungen zu hören und gegenseitig zu lernen“, betonte er.

Sehr positive Erfahrungen hat die Praxis mit ihrem digitalen Telefonassistenten gemacht. Die Praxis hat ihn so eingestellt, dass er alle Anrufe ab dem ersten Klingeln annimmt. Er verschriftlicht die Anrufe und kategorisiert sie, unter anderem nach den Rubriken „Notfall“, „Rezeptwunsch“ und „Terminwunsch“. Das Praxisteam arbeitet sie nach Eingang des Anrufes und nach Dringlichkeit ab.
„Ein großer Vorteil ist, dass die Patienten jetzt immer telefonisch zu uns durchkommen“, sagte Mark Schäfer aus der Praxis. Vor der Einführung des digitalen Assistenten habe die Praxis bis zu einem Viertel der Anrufe gar nicht annehmen könnnen. „Das hat mir große Sorge bereitet – schließlich könnte es sich ja um einen Patienten mit gravierenden gesundheitlichen Problemen handeln, vielleicht sogar um einen Notfall“, so Schäfer.
Ein weiterer Vorteil des digitalen Telefonassistenten: Es ist viel ruhiger in der Praxis. Zudem ist für MFA auch die Arbeit zuhause mit dem Assistenten grundsätzlich möglich. „Wir lieben unseren Telefonassistenten“, fällt das Urteil aus dem Praxisteam aus.
Bewährt hat sich auch ein System zur digitalen Anamnese. Das Team verschickt darüber Patientenfragebögen, Datenschutzerklärungen und Informationen.
„Wir senden Anamnesebögen, Patienteninformationen und Datenschutzerklärungen schon vor dem Termin an die Patienten. Sie können die Bögen in Ruhe zu Hause ausfüllen – kommt der Patient zu seinem Termin, haben wir dann schon alle Informationen vorliegen“, erläuterte Solveig Becker aus dem Praxisteam. Die Fragebögen seien selbst konfigurierbar und würden im PDF-Format in die Patientenakte eingefügt.
Bewährt hat sich für die Praxis außerdem ein Werkzeug zur Onlineterminvereinbarung. Im Augenblick vergibt die Praxis darüber rund elf Prozent ihrer Termine. „Positiv ist zum Beispiel, dass bei kurzfristigen Terminabsagen die dann offenen Slots meist rasch wieder belegt werden“, sagte Schäfer.
Die neue digitale Arztpraxis hat aber nicht nur Vorteile. Problematisch ist zum Beispiel, dass viele Anwendungen Insellösungen sind und die Kommunikation zwischen den Anwendungen hakt – Stichwort Schnittstellenprobleme. Gerade an dieser Stelle laufen nach Ansicht der Ärzte in Heidelberg oft hohe und unerwartete Kosten für Support und Konfigurierung auf.
Die Kosten spielen insgesamt eine Rolle, wie der Abend in Heidelberg zeigt. „Die digitalen Werkzeuge kosten alle viel Geld. Wenn die Vergütungen so bleiben, wie sollen die Praxen dann künftig innovative Lösungen finanzieren?“, fragte Kai Wachter, Facharzt für Allgemeinmedizin.
Schäfer sieht ein weiteres Problem: „Nicht alle Patienten kommen mit der Digitalisierung gleich gut zurecht“, berichtet er. Die neuen Techniken könnten zu einer Patientenselektion beitragen, befürchtet er. Ein weiteres Problem bezieht sich auf die von der Politik angeschobenen digitalen Werkzeuge. Viele Versicherte kennen und beherrschen diese den Teilnehmern des Praxissalons zufolge nicht.
„Elektronisches Rezept, elektronische Krankschreibung und vieles andere – wir Ärztinnen und Ärzte und die Praxisteams müssen viel Zeit damit verbringen, die Patienten damit vertraut zu machen“, berichtete eine Teil-nehmerin. „Wenn die Politik neue Werkzeuge und Regeln einführt, dann muss sie auch für Informationen sorgen und dies nicht einfach auf uns abschieben“, so ihre Forderung.






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