Digitalisierung: Mit Eigeninitiative die Versorgung verbessern

Celle – Selbst initiierte Bottom-up-Lösungen zur digitalen Unterstützung der Praxen können funktionieren. Das zeigte sich im Rahmen einer Veranstaltung der Reihe „Praxissalon“, die das Deutsche Ärzteblatt veranstaltet, am Beispiel einer Praxis in Celle.
Dort trafen sich an vergangene Woche sechs Ärztinnen und Ärzte in der Praxis für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde von Joachim Draws. In der Praxis arbeitet Draws mit zwei Ärztinnen und sechs Medizinischen Fachangestellten (MFA) zusammen.
Die Patientenversorgung könne man schon jetzt mit digitaler Unterstützung verbessern und zugleich die Arbeit in den Arztpraxen effektiver gestalten, dazu müsse man nicht auf die Gematik warten, betonte Draws.
So nutze er seine Praxis-Homepage als „mehr als nur Visitenkarte“. Neben einer Onlineterminvergabe und Angaben zu etwaigen Schließzeitenvertretungen findet sich dort auch eine Ratgeberfunktion.
In Wort und Video gibt es für die Patientinnen und Patienten unter anderem Tips zur Stärkung des Immunsystems oder zum Umgang mit Lagerungsschwindel. Bei thematisch jeweils passenden Bezug führt ein QR-Code auf den Aufklärungsbögen der Praxis zum entsprechenden Ratgeberinhalt.
Zudem bietet das Praxisteam eine Messengerfunktion für die Patienten – auf diese Funktion wird auch per Bandansage hingewiesen, falls das Telefon besetzt sein sollte. Eine Vorsortierung der Eingänge erfolge durch das MFA-Team, so Draws. Einfache Anfragen ließen sich so oft schnell klären, auch ohne Präsenztermin in der Praxis.
Digitale Verlaufskontrolle
Da auch die Übermittlung von Foto- und Videodateien möglich sei, sei von ärztlicher Seite bei bestimmten, bereits behandelten Fällen auch eine Verlaufskontrolle möglich. Der Faktor der für die Patienten ersparten Anfahrt sei im ländlichen geprägten Raum nicht unwichtig, betonte Draws. Zusätzlich rechne sich dies für die Praxis auch wirtschaftlich. Denn die so gesparte Zeit für wiederholte Einbestellungen könne für wirklich notwendige Termine genutzt werden.
Zeit und Stress erspare zudem die digitale Zusammenarbeit mit den örtlichen Radiologen. Diese böten eine Softwareplattform, um den zuweisenden Praxen einfachen Onlinezugriff auf Bilder und Befundbriefe zu ermöglichen.
Auf Basis einer Messaging-App hat sich in und um Celle auch ein regionales medizinisches Kommunikationsnetzwerk mit mehr als 100 Akteuren – beteiligt sind neben Arztpraxen auch Apotheken und Krankenhäuser – etabliert.
Das Netzwerk erlaubt laut Draws unter anderem einen schnellen und einfachen Dialog mit etwa weiterversorgenden Hausärzten, Konsilfunktion und Fallkonferenzen sowie Kontakte in den stationären Bereich. Die Einbindung der Apotheken erlaube unter anderem eine recht effektive Dämpfung von Arzneimittelengpassproblemen – geschätzt sei in dreiviertel aller Fälle so eine Lösung möglich, ohne das Patienten zurück in die Praxen müssen.
In der offenen und konstruktiven Diskussion zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Praxissalons zeigten sich bei aller Offenheit und ehrlichem Interesse an sinnvollen digitalen Instrumenten und Prozessen allerdings auch die bekannten Hürden.
So funktioniere etwa das elektronische Rezept (E-Rezept) mal ja und mal nicht, kritisierte Ralf Gieß, Neurologe aus Hildesheim. Hier dürfe und müsse man mehr Funktionssicherheit erwarten.
Als generelles Ärgernis kristallisierten sich die Praxisverwaltungssysteme (PVS) heraus. Neben technischen Unzulänglichkeiten – insbesondere bei der Implementierung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) – sei der Support oft quasi nicht existent.
Hinsichtlich der theoretisch mögliche Abhilfe in Form eines PVS-Wechsels bestehen große Bedenken. Insbesondere die Frage, ob die Datenmigration wirklich fehlerfrei gelingt, macht Claudia Drieschner, Augenärztin in Burgdorf, Sorgen – nicht zuletzt aufgrund von entsprechenden Negativbeispielen im Kollegenkreis.
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