Attraktivität des Arztberufs: Niedergelassene haben das Nachsehen

Berlin – Die finanzielle Situation der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten hat sich im Mittel weiter verbessert. Trotzdem ist es finanziell oftmals attraktiver, angestellt in einem Krankenhaus zu arbeiten, als selbst niedergelassen zu sein. Das haben das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) heute anhand der Daten des aktuellen Zi-Praxis-Panels gezeigt. Die Daten umfassen die Jahre 2011 bis 2014.
Danach ist zwar der Jahresüberschuss der Praxen 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent auf durchschnittlich 156.000 Euro je Praxisinhaber (2011: 140.000 Euro) gestiegen, wobei die Zahlen für die einzelnen Arztgruppen sehr unterschiedlich ausfallen (siehe Tabelle). „Der Jahresüberschuss darf aber nicht verwechselt werden mit dem Einkommen“, erklärte Zi-Geschäftsführer Dominik von Stillfried. Davon abzuziehen seien die ärztliche Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Einkommensteuer.
Standardisiere man die Angaben, sinke der Jahresüberschuss auf gut 130.000 Euro. Dieser Wert kommt zustande, wenn man die Einnahmen, die Ärztinnen und Ärzte aus der Behandlung mit privat Versicherten erzielt haben, auf GKV-Niveau herunterbricht und annimmt, dass alle Niedergelassenen 51 Wochenstunden arbeiten.
Jahresüberschuss 2014 | |
|---|---|
Fachgruppe | Euro |
Gesamt | 156.204 |
Allgemeinmedizin und Innere Medizin (hausärztlich) | 158.246 |
Anästhesiologie | 163.205 |
Augenheilkunde | 226.130 |
Chirurgie | 166.366 |
Dermatologie | 202.118 |
Gynäkologie | 167.917 |
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde | 159.465 |
Gastroenterologie | 235.581 |
Kardiologie | 217.319 |
Pneumologie | 222.526 |
Innere Medizin (ohne beziehungsweise mit mehreren Schwerpunkten) | 229.768 |
Innere Medizin (sonstige Fachgebiete) | 294.503 |
Kinder- und Jugendmedizin | 158.026 |
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie | 157.907 |
Nervenheilkunde, Neurologie und Psychiatrie | 183.912 |
Neurologie | 166.393 |
Nuklearmedizin | 227.255 |
Orthopädie | 199.133 |
Physikalische und rehabilitative Medizin | 124.233 |
Psychiatrie | 123.155 |
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie | 74.951 |
Psychotherapie | 70.664 |
Radiologie | 348.491 |
Urologie | 189.491 |
Übergreifend tätige Praxen | 200.927 |
Im Vergleich dazu liegt von Stillfried zufolge das Jahreseinkommen eines Oberarztes je nach Diensterfahrung zwischen 130.000 und 140.000 Euro. Einbezogen in diese Kalkulation ist dabei der Arbeitgeberanteil zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Außerdem ist der Betrag zeitgewichtet, das heißt, es wird analog zu den niedergelassenen Ärzten eine wöchentliche Arbeitszeit von 51 Stunden angesetzt.
Betrachte man die reale Einkommensentwicklung und beziehe die Inflation mit ein, hätten die niedergelassenen Ärzte in den Jahren 2011 bis 2013 jeweils Nullrunden hinnehmen müssen und erst 2014 einen Zuwachs verzeichnen können, erklärte von Stillfried. Dabei sei die GKV der wichtigste Faktor für die Stabilität der Einkommen. Die niedergelassenen Ärzte erzielten über die Kassen drei Viertel ihrer Einnahmen.
Der Zi-Geschäftsführer machte unter anderem die unstete Entwicklung bei den ärztlichen Einkommen dafür verantwortlich, dass die Investitionen in die Praxen stagnieren. Denn diese müssen vom Jahresüberschuss noch abgezogen werden. 2011 wendeten die Praxen im Schnitt 13.800 Euro auf, 2014 waren es 12.700 Euro.
„Die Lage ist nicht so rosig, wie es aussieht“, kommentierte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen die Zahlen. Die Praxen würden Investitionen vor sich herschieben, weil ihnen das Vertrauen in die stabile Entwicklung ihrer Einkommen fehle. „Wir müssen Einkommenssicherheit in den Praxen schaffen“, forderte Gassen. Erheblichen Nachholbedarf sieht er beim kalkulatorischen Arztgehalt, das sich nach der Systematik des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) am Gehalt eines Oberarztes im Krankenhaus orientiert. Anhand der vom ZiPP-Panel gewichteten Zahlen stünden Krankenhausärzte sowohl beim Gehalt als auch bei der Arbeitszeit besser da als die Niedergelassenen.
„Hier muss sich etwas ändern, sonst wird die Niederlassung unattraktiv“, sagte der KBV-Chef. „Wir brauchen mehr Geld. Das müssen wir bei der EBM-Reform einpreisen.“ Auch die Politik müsse sich fragen, ob sie Anreize für die Niederlassung setzen wolle oder nicht und sich klar zur ambulanten Versorgung bekennen. „Ein Unternehmer muss reüssieren können“, meinte Gassen. Das gelte nicht nur für die Ärzte, sondern auch für andere freie Berufe.
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