Aufbau hausärztlicher Forschungspraxen in vollem Gange

Berlin – Für viele relevante Fragestellungen aus der Hausarztpraxis soll es künftig fundierte Antworten geben, indem Hausärzte aus ihrer Praxis heraus auch forschen. „Wir brauchen einen Kulturwandel“, sagte heute Stefanie Joos von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) beim Zukunftssymposium der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze – DESAM-ForNet „Ambulant forschen – vernetzt denken“ in Berlin.
Dazu müsse sich zum einen die hausärztliche Community öffnen und vernetzen. Zum anderen gelte dies aber auch für andere Sektoren, wie die Universitätskliniken oder die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. „Wir müssen ein gemeinsames Zielbild entwickeln.“
Der Anfang ist bereits gemacht: In unterschiedlichen Regionen Deutschlands arbeiteten schon sechs Forschungspraxennetze mit 23 universitären Instituten für Allgemeinmedizin eng mit niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten und ihren Praxisteams zusammen, um Forschungsinfrastruktur aufzubauen und Pilotstudien durchzuführen, sagte Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) zur Eröffnung des Zukunftssymposiums.
„Mit der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze DESAM-ForNet wollen wir hochwertige Forschung aus und für die allgemeinmedizinische Praxis weiter ausbauen und eine bundesweite Zusammenarbeit ermöglichen.“ Ziel sei, bis Ende 2024 deutschlandweit 1.700 Praxen zu akkreditieren. Er sei optimistisch, dass letztlich alle Regionen abgedeckt werden können.
Gefördert wird die Initiative DESAM-ForNet seit 2020 durch Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), und zwar über fünf Jahre mit bis zu 21 Millionen Euro. Ziel sei, das Forschungspotenzial des guten hausärztlichen Netzes auch „auf die Straße“ zu bekommen, sagte Veronika von Messling vom BMBF.
„Mit einer nachhaltigen Netzwerkstruktur für Forschung im ambulanten Setting leisten wir auch einen Beitrag, um die deutsche allgemeinmedizinische Forschung wettbewerbsfähig zu halten.“ Aber auch insgesamt stärke der Aufbau einer Netzwerkstruktur für Forschungspraxen die Allgemeinmedizin. Nach dem strukturellen Aufbau soll die Funktionsfähigkeit der Netzwerke in Pilotstudien getestet werden, so von Messling. Für das nächste Jahr sei eine Evaluierung geplant.
Koordiniert wird die Initiative DESAM-ForNet von der Deutschen Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) und unterstützt von der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF). „Die Forschenden brauchen eine Infrastruktur, die Forschung in der Hausarztpraxis erst ermöglicht“, sagte Sebastian C. Semler von der TMF.
Es gelte nicht: „One size fits all“. Für die Praxen müssten die Konzepte angepasst werden. „Eine richtige Dokumentation ist dabei aber die Kernvoraussetzung“, sagte der Arzt und Medizininformatiker. Dazu brauche man einen langen Atem. „Das ist eine Dekadenaufgabe.“
Das Start gilt als gelungen. Eine zentrale Koordinierungsstelle in Berlin unter Leitung von Leonor Heinz soll gemeinsame Kommunikationsstrukturen schaffen und die Vernetzung und den Austausch sowie eine nachhaltige Zusammenarbeit zwischen den regionalen Netzwerken und Unikliniken stärken.
Den bereits bestehenden Forschungspraxennetzen der Initiative bietet sie eine Infrastruktur für den Austausch, die Fortbildung, den Datenschutz und gemeinsame Standards im IT-Bereich sowie die Akkreditierung neuer Forschungspraxen.
„Unsere Patientinnen und Patienten wechseln die Sektoren, nicht aber ihre Daten“, erklärte Jutta Bleidorn von der DESAM. Das müsse sich ändern, man brauche Vernetzung.
Langfristig sollen deshalb netzübergreifende Forschungsprojekte innerhalb der DESAM-ForNet-Netzwerkstruktur als auch Forschungsprojekte mit anderen Partnern, beispielsweise mit der Medizininformatik-Initiative (MII) und dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM), möglich werden.
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