Behindertenbeauftragter will Steuergerechtigkeit für Behinderte

Berlin – Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, fordert die steuerliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und mehr Barrierefreiheit in Deutschland. Zum gestrigen europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen beklagte Dusel in Berlin, der Pauschalbetrag für Menschen mit Behinderungen im Einkommensteuerrecht sei seit 44 Jahren nicht erhöht worden. „Das widerspricht der wirtschaftlichen Realität, ist niemandem zu vermitteln und schlichtweg ungerecht. Ich appelliere an die Bundesregierung, sich dieses Themas anzunehmen und den Pauschbetrag deutlich zu erhöhen.“
Im Einkommensteuergesetz sind „Pauschbeträge für behinderte Menschen, Hinterbliebene und Pflegepersonen“ geregelt. Hintergrund ist, dass Menschen mit Behinderungen im Alltag häufig höhere Kosten haben. Der Pauschbetrag ist gestaffelt nach Grad der Behinderung (GdB). Weitergehende Ausgaben können zwar als „außergewöhnliche Belastungen“ abgesetzt werden. Dies ist jedoch mit erhöhtem Aufwand sowohl für Steuerzahler als auch für die Finanzämter verbunden.
Darüber hinaus fordert Dusel eine stärkere Verpflichtung zur Barrierefreiheit für private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen. Barrierefreiheit dürfe sich nicht nur auf den öffentlichen Sektor beziehen: „Menschen mit Behinderungen wollen genauso ins Kino gehen können oder in die Arztpraxis kommen, wie alle anderen auch. Sie haben ein selbstverständliches Recht darauf. Barrieren müssen auch im privaten Sektor abgebaut werden.“
Am 9. April hatte der Ministerrat der Europäischen Union als letzte EU-Institution die Europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit abschließend bestätigt. Dies muss aber noch in nationales Recht überführt werden.
Auch Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, forderte anlässlich des Protesttags mehr Einsatz für Barrierefreiheit und Inklusion in Deutschland. Mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen seien immer noch zu viele Menschen mit Behinderung von uneingeschränkter Teilhabe weit entfernt, so Bentele.
Bei der Inklusion müsse sich „sehr viel mehr bewegen als bisher – und vor allem schneller“. Teilhabe sei als Menschenrecht nicht verhandelbar. Damit ein Zusammenleben aller gut gelingen könne, sei zudem der Schutz vor Diskriminierung wichtig. „Dabei ist entscheidend, dass private Anbieter von Waren und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit juristisch verpflichtet werden“, ergänzte die VdK-Präsidentin.
Barrierefreiheit müsse ohne Wenn und Aber gelten, und zwar auch in Gaststätten, Hotels, Supermärkten, Arztpraxen oder Internetportalen: „Auch muss Barrierefreiheit endlich zum einklagbaren Recht werden. Das ist ein wichtiger Schritt, um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Inklusion aller Menschen nachhaltig zu verbessern.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: