Möglichkeiten und Herausforderungen der elektronischen Patientenakte

Berlin – Die elektronische Patientenakte (ePA) soll ab Anfang 2025 weitere Funktionen erhalten. Neben der Umstellung des aktuellen Opt-In-Verfahrens auf ein Opt-out Verfahren, gibt es auch inhaltliche Änderungen. Die Umstellung bedeutet, dass Krankenkassen ihren Versicherten ab 2025 eine ePA einrichten müssen, es sei denn diese widersprechen.
Viele bereits umgesetzte Funktionen der ePA würden weiter aufrechterhalten, betonte Lena Dimde, Product Owner für die ePA bei der Gematik, gestern auf der Messe für digitale Gesundheit (DMEA). Dazu gehöre die Einsicht in Protokolldaten oder das Einrichten von Vertretern innerhalb der Akte.
Künftig soll die ePA standardmäßig mit Medikationsdaten befüllt werden. Die Medikationsliste innerhalb der ePA soll sich aus allen verschriebenen E-Rezepten sowie Informationen zu eingelösten Rezepten in der Apotheke speisen. Es werde ersichtlich, welche Medikamente ein Patient tatsächlich bekommen habe, so Dimde. Erstmals sei damit eine Verbindung verschiedener Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) geplant.
Mitte 2025 soll diese Liste zu einem Medikationsplan weiterentwickelt werden, der für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) relevante Informationen enthalten soll. Neben der Medikationsliste sollen zudem ab 15. Januar 2025 sämtliche Arztbriefe, Befund- und Entlassbriefe sowie Laborberichte in die ePA gestellt werden, erklärte Dimde weiter. Allerdings werden diese Dokumente zu Beginn im PDF-Format eingestellt.
In einem weiteren Schritt soll auch die Datenausleitung der Daten innerhalb der Akten an das geplante Forschungsdatenzentrum, das am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt wird, erfolgen. Dieser Schritt ist für Mitte 2025 geplant, so Dimde. Außerdem soll es erstmalig eine Suchfunktion, also eine Schlagwortsuche, geben, ergänzte Marcel Böttcher, Abteilungsleiter Digitale Versorgung und Prävention bei der BARMER. Dies klinge banal, sei aber eine große Neuerung.
Kommunikation als Schlüssel für erfolgreiche Umsetzung
Für die erfolgreiche Umsetzung der ePA ist gute Kommunikation wichtig, betonte die Abteilungsleiterin für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Susanne Ozegowski.
Sie nannte als Beispiel einige Kassenärztliche Vereinigungen (KVen), die sich bei der Einführung des E-Rezepts entsprechend „reingehängt“ hätten, um die Ärztinnen und Ärzte zu informieren. „In diesen Regionen sehen wir nun höhere Nutzungsraten beim E-Rezept als in anderen Regionen“, betonte sie.
Ein Problem, welches Ärztinnen und Ärzte bei der Nutzung der Akten bekommen könnten, müsse stärker thematisiert werden, forderte zudem der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) habe in Zusammenarbeit mit der TK zur ePA die Sorge geäußert, dass Ärztinnen und Ärzte in Haftungsrisiken kommen könnten, sollte in Dokumenten innerhalb der ePA beispielsweise der Hinweis stehen, dass ein Patient gegen Penicillin allergisch ist. Diese Information könne aber auch auf Papierakten überlesen werden, so Baas. Wichtig sei deshalb, dieses Problem zu diskutieren und etwa mithilfe von strukturierten Daten auch zu lösen.
Andreas Hempel, Solution Architect eHealth bei Asklepios, warnte insbesondere vor Sicherheitsrisiken, die mit der ePA einhergehen würden. Krankenhäuser hätten verschiedene Systeme, von Primärsystemen über Systeme in der Radiologie oder im Labor. Zu allen müssten Verknüpfungen zur ePA hergestellt werden, allerdings sei unklar, wer die Daten einsehen oder verwalten dürfe. Zudem wisse er nicht, was das benötigte Schutzniveau sei.
„Aus Krankenhauskettensicht ist das Risiko, die ePA einzuführen, einfach hoch“, sagte Hempel. Große Probleme seien etwa der fehlende Virenschutz, ungesicherte Netzwerkdosen oder veraltete Anwendungen. Krankenhäuser müssten demnach große Anstrengungen unternehmen, um diese Anwendungen sicher zu machen. Er wünsche sich diesbezüglich mehr Unterstützung vonseiten der Gematik.
Höhere Auslastung führt zu höherem Supportbedarf
Zudem existierten in Krankenhäusern bereits heute viele Möglichkeiten für Fehler und Fehlermeldungen, etwa bei fehlerhaften Konnektoren oder wenn elektronische Gesundheitskarten nicht funktionierten. Wenn die ePA für alle komme, dann sei auch mehr Last auf dem System und es gebe noch mehr Supportbedarf, um mögliche Fehler schnell zu beheben, so Hempel. Dies funktioniere aber oftmals heute schon nicht, bemängelte er.
Entsprechende Supportprobleme gebe es auch im niedergelassenen Bereich, sagte der Hausarzt Bernhard Tenckhoff. Er warnte davor, unstrukturierte PDFs in die ePA zu speisen. Solange die Informationen nicht strukturiert und gezielt erfasst werden, werde es schwierig, die Informationen wirklich nutzen zu können, sagte er.
Sein Vorschlag sei keine Einheitslösung für alle Patientinnen und Patienten anzubieten, sondern für bestimmte Patientengruppen eine speziell strukturierte ePA. Jeder der beispielsweise mehr als drei Arztgruppen pro Quartal besuche, sollte die Möglichkeit erhalten, eine speziell gepflegte Patientenakte zu bekommen.
Diese werde etwa mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) oder eines Aktenmanagers entsprechend strukturiert, sodass die Zielgruppen (Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeuten) benötigte Informationen schnell auffinden würden. Dies könnte auch für die Forschung von Vorteil sein, so Tenckhoff.
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