Bundesrat: Regierung muss drohende Engpässe bei Medizinprodukten verhindern

Berlin – Der Bundesrat hat an die Bundesregierung appelliert, sich auf europäischer Ebene für Verbesserungen bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (Medical Device Regulation, MDR) einzusetzen.
„Der Bundesrat bittet den Bund, auf EU-Ebene auf Erleichterungen für versorgungsrelevante Nischen- und Bestandsprodukte hinzuwirken und somit die Versorgungssicherheit mit sicheren Medizinprodukten zu gewährleisten“, heißt es in dem Entschließungsantrag von Bayern und Baden-Württemberg, den der Bundesrat heute angenommen hat.
„Zu ergreifende Maßnahmen sollten zudem einen effizienteren Einsatz der vorhandenen knappen Ressourcen der bereits nach MDR notifizierten Benannten Stellen sowie den schnelleren Abschluss des Benennungsprozesses weiterer Benannter Stellen unter der MDR berücksichtigen.“
Die MDR wurde von der Europäischen Union (EU) als Reaktion auf den Skandal um Brustimplantate auf den Weg gebracht, die mit Industriesilikon gefüllt waren. Sie sieht unter anderem vor, dass Medizinprodukte neu zertifiziert und die Benannten Stellen, die diese Zertifizierung vornehmen, neu notifiziert werden müssen. Die MDR trat im Mai 2021 in Kraft. Bis zum Mai 2024 gilt eine Übergangsperiode.
Deutlich gestiegener Aufwand
Zwar begrüßt der Bundesrat grundsätzlich die Ziele der MDR, die Medizinproduktesicherheit zu erhöhen. Gleichzeitig stellt er jedoch fest, dass die Umsetzung mit großen Herausforderungen und Problemen einhergeht.
„Einerseits ist ein deutlich gestiegener Aufwand zur Zertifizierung von Medizinprodukten zu verzeichnen, der sich in erhöhten Kosten und der Bindung von Personalressourcen auf Herstellerseite manifestiert“, heißt es in dem Beschluss.
„Andererseits zeichnet sich für einige Produkte eine immer deutlichere Versorgungsproblematik ab, da Hersteller als Konsequenz auf gestiegene Kosten und Aufwand sichere und bewährte Medizinprodukte vom Markt nehmen.“
Es bedürfe sofortiger Lösungen für versorgungsrelevante Nischenprodukte, sogenannte Orphan Devices, deren Herstellung aufgrund der geringen Stück- und Absatzzahl angesichts der hohen Zertifizierungskosten unter der MDR unwirtschaftlich geworden sei und die deshalb vom Markt genommen würden, fordert der Bundesrat. Zudem seien zeitnahe Erleichterungen für Bestandsprodukte erforderlich, die sich über Jahre hinweg auf dem Markt bewährt hätten.
Mehr Kapazitäten für Zertifizierungen
Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass die Zertifizierung von neuen, innovativen Medizinprodukten in Europa, insbesondere auch für kleine und mittelständische Unternehmen, im aktuellen Rechtsrahmen zügig und mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden könne, so der Bundesrat.
Und es brauche mehr Kapazität für MDR-Zertifizierungen bei den Benannten Stellen. Hierfür müssten zum einen die vorhandenen knappen Ressourcen bei bestehenden Benannten Stellen besser eingesetzt werden. Zum anderen bedürfe es des schnellen Abschlusses der laufenden Benennungsverfahren weiterer, neuer Benannter Stellen nach MDR, um dem Kapazitätsengpass entgegen zu wirken.
„Wenn sich der Zertifizierungs-Flaschenhals bis Mai 2024 weiter zuzieht, müssen von der Europäischen Kommission zügig auch konkrete legislative Maßnahmen, die dem kompletten System mehr Zeit verschaffen, in Erwägung gezogen werden“, heißt es in dem Beschluss.
Regierung hat Dialogprozess begonnen
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD), erklärte heute im Bundesrat, dass sich die Bundesregierung im engen Austausch mit den europäischen Partnern befinde, um die infolge der Einführung der MDR entstandenen Probleme zu identifizieren und zu lösen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe sich gegenüber der EU-Kommission dafür ausgesprochen, weitere gesetzliche Maßnahmen umzusetzen. Das Ziel sei es dabei, eine Verlängerung der Übergangsbestimmungen zu erreichen.
„Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind allerdings sehr anspruchsvoll“, sagte Dittmar. „Derzeit sprechen wir mit den Partnerstaaten darüber, welche Regelungen auf EU-Ebene realisierbar erscheinen.“
Sie berichtete davon, dass die Bundesregierung im Juli einen nationalen Dialogprozess mit allen Beteiligten begonnen habe, um Lösungsstrategien zu diskutieren – auch Lösungsstrategien, die unabhängig vom EU-Gesetzgebungsprozess seien. Dieser Dialog werde im Herbst fortgesetzt.
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