Ärzteschaft

Chancen der Ambulantisierung nicht ausreichend genutzt

  • Dienstag, 31. Oktober 2023
/Georgii, stock.adobe.com
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Berlin – Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz eine spezielle sektorengleiche Vergütung, die sogenannten Hybrid-DRG, beschlossen. Das Ziel ist, dass die Versor­gung ambulanter wird. Doch die Umsetzung hakt weiter.

Zunächst konnte sich die Selbstverwaltung nicht auf Details verständigen. Daraufhin hat das Bundesministe­rium für Gesundheit (BMG) eine Rechtsverordnung erstellt. Das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Hybrid-DRG mit einem „Startkatalog“ Anfang 2024 beginnen.

Eine „erweiterte Leistungsauswahl“, für die die Vergütung im Laufe des Jahres 2024 festgelegt werden soll, ist in Grundzügen bereits Bestandteil des Verordnungsentwurfs.

Der Startkatalog umfasst – jeweils noch ausdifferenziert– bestimmte Hernieneingriffe, die Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien, Arthrodesen der Zehengelenke sowie Behandlungen eines Sinus pilonidalis (Steißbeinfistel).

Diese Leistungen sollen mit einer der als Anlage in der Verordnung aufgeführten Hybrid-DRG vergütet wer­den – sofern der betreffende Fall bei Anwendung des jeweils gültigen aG-DRG-Gruppierungsalgorithmus in die be­treffende Hybrid-DRG eingruppiert wird.

Dominik von Still­fried, Chef des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), glaubt nicht, dass der Entwurf die Ambulantisierung in Deutschland richtig voranbringen kann. „Der Entwurf der Rechtsverordnung hat zentrale Konstruktionsfehler“, sagte er. Wenn die Ambulantisierung in Deutschland vorankommen solle, müsse die Rechtsverordnung an zentralen Stellen dringend überarbeitet werden.

Ein Grund sei, dass die Preisunterschiede zu vollstationären diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) so enorm seien, dass für Krankenhäuser ein erheblicher ökonomischer Anreiz bestehe, Patienten weiter vollsta­tionär und nicht sektorengleich zu versorgen.

Hintergrund ist, dass für die Definition und Kalkulation der Hybrid-DRG eine Eingrenzung auf DRG-Fälle mit einem Belegungstag vorgenommen worden sei. Damit ist nach Ansicht des Zi der Rahmen, den Paragrafen 115f eröffnen könnte, bei weitem nicht ausgeschöpft.

„Der Verordnungsgeber hat mit der Festlegung auf einen Belegungstag das Minimum gewählt“, so von Still­fried. Das Parlament hätte jedoch – den Empfehlungen des Sachverständigenrats Gesundheit und des Ge­sund­heitsökonomischen Zentrums der Universität Hamburg (HCHE) folgend – die Möglichkeit gegeben, Fälle mit bis zu drei Tagen Verweildauer einzubeziehen.

Folglich sollten für die Bestimmung und Berechnung von Hybrid-DRG auch DRG-Fälle mit bis zu drei Beleg­tagen einbezogen werden und besondere Gründe für eine stationäre Behandlung, die Kontextfaktoren, nur in Fällen berücksichtigt werden, die einen extrem hohen Ressourcenverbrauch bei einer Krankenhausbehand­lung zur Folge hätten, so von Stillfried weiter.

In der jetzigen Fassung der Rechtsverordnung können Krankenhäuser somit bereits ab der ersten Übernach­tung zusätzlich Pflegekosten abrechnen. Eine echte sektorengleiche Vergütung werde durch die Rechtsver­ordnung somit nicht erreicht.

Das Zi stellte klar, dass es auch im vertragsärztlichen Bereich Einrichtungen gibt, die Übernachtungs­möglich­keiten bieten. So rech­neten bereits heute etwa 180 Praxen eine Nachbeobachtung von mindestens zehn Stunden ab. „Sollte eine Übernachtung notwendig werden, sollte auch für vertragsärztliche Einrichtungen ein Pflegeentgelt in Höhe von 250 Euro abrechenbar sein, um eine echte sektorengleiche Vergütung zu errei­chen“, meint der Zi-Chef.

Daneben kritisiert von Stillfried den enormen Pauschalierungsgrad der Hybrid-DRG. Während im ambulanten Bereich eine aufwandsbezogene Differenzierung verschiedener Operationstechniken über bis zu sieben Kate­go­rien erfolge, würden diese nun in einer Hybrid-DRG zusammengewürfelt. Auch das führe zu Fehlanreizen, da daraus sehr lukrative Operationen auf der einen Seite und nicht kosten­deckende Eingriffe auf der anderen Seite resultieren würden, meint er weiter.

Ähnlich verhielte es sich in Bezug auf Sach- und Implantatkosten. Hier würden die 20 Jahre alten Fehler der DRG-Einführung wiederholt. „Eine Orientierung an der Systematik des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ambulante ärztliche Leistungen, in der Sach- und Implantatkosten gesondert abgerechnet werden, wäre sachgerecht.“

Außerdem wird der Entwurf nach Ansicht des Zi dadurch belastet, dass vertragsärztliche Einrichtungen für die Abrechnung neue Softwaremodule kaufen sollten und damit unter der Bürokratie von stationären Kodier­richtlinien leiden müssten, obwohl mit fünf Leistungsbereichen und zwölf Hybrid-DRG ein verschwindend kleiner Leistungskatalog gewählt wurde.

may/EB

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