Corona: Hunderte Tote durch Gerüchte im Netz

Sydney/Berlin – Seit Beginn der Coronapandemie haben Fehlinformationen und Gerüchte in Verbindung mit dem Virus SARS-COV-2 weltweit Hunderte Menschen das Leben gekostet. Tausende weitere mussten wegen der im Internet verbreiteten Falschinformationen im Krankenhaus behandelt werden. Das zeigt eine jetzt im American Journal of Tropical Medicine and Hygiene veröffentlichte Studie (DOI: 10.4269/ajtmh.20-0812).
Das internationale Team hatte zwischen Dezember 2019 und April 2020 Gerüchte, Stigmatisierungen und Verschwörungstheorien rund um COVID-19 gesammelt, die auf Onlineplattformen wie Facebook und Twitter, aber auch auf den Online-Auftritten von Zeitungen kursierten. Zusätzlich sichteten sie sogenannte Fact-Checking-Websites, die versuchen, über Falschinformationen im Internet aufzuklären.
Insgesamt analysierten die Wissenschaftler mehr als 2.300 Berichte in 25 Sprachen aus 87 Ländern. Davon hätten sich 82 Prozent als falsch herausgestellt, so die Studie. Die meisten davon grassierten demnach in Indien, den USA, China und Spanien.
Viele der überwiegend in sozialen Netzwerken verbreiteten falschen Behauptungen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 seien gefährlich und teilweise lebensbedrohlich, stellten die Forscher fest. „Gerüchte können sich als glaubwürdige Strategien zur Infektionsprävention und -kontrolle tarnen“, so die Warnung.
So kostete der Konsum von hochkonzentriertem Alkohol der Studie zufolge weltweit 800 Menschen das Leben. Sie hatten geglaubt, ihren Körper auf diese Weise desinfizieren zu können.
Mehr als 5.800 hätten nach dem Verzehr von Methanol im Krankenhaus behandelt werden müssen, 60 seien erblindet. Zwei gesunde Männer in Katar tranken in dem Glauben, sich damit zu schützen, Desinfektionsmittel – laut Studie mit lebensgefährlichen Folgen.
In Indien hätten zwölf Menschen – darunter fünf Kinder – einen Drink aus hochgiftigen Stechäpfeln zu sich genommen. Den Angaben zufolge hatten sie in sozialen Netzwerken ein Video gesehen, in dem die Pflanzen zur Immunisierung gegen Sars-CoV-2 beworben wurden. Alle wurden krank.
Urin von Tieren wird als Wunderwaffe angepriesen
Ebenfalls in Indien sei das Gerücht verbreitet worden, der Konsum von Kuhurin oder -dung beuge einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 vor. In Saudi-Arabien sei Kamelurin mit Limone als Wunderwaffe gegen COVID-19 angepriesen worden.
Die Forscher untersuchten zudem auch mögliche Folgen von Stigmatisierung im Spannungsfeld der Coronaepidemie. So habe sich ein Mann in Indien das Leben genommen, weil er glaubte, mit Corona infiziert zu sein. Seine Familie sagte demnach, er habe Schuldgefühle gehabt, die mögliche Erkrankung als Schande empfunden und Angst vor der Reaktion seiner Mitmenschen gehabt.
Auch sei es seit Beginn der Pandemie vielerorts zu verbaler und physischer Gewalt gegenüber Menschen asiatischer Herkunft und Mitarbeitern des Gesundheitssystems gekommen, weil beide Gruppen für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht worden seien.
Regierungen sollen Fehlinformationen besser überwachen
Die Wissenschaftler forderten Regierungen und internationale Organisationen auf, Coronafehlinformationen im Internet besser zu überwachen, diese als falsch zu entlarven und „mit Social-Media-Unternehmen zusammenzuarbeiten, um korrekte Informationen zu verbreiten.“
Es ist nicht das erste Mal, dass bei Epidemien und Gesundheitskrisen Fehlinformationen um sich greifen. Das sei bereits beim Ebola-Ausbruch 2019 im Kongo so gewesen, „verbunden mit Gewalt, Misstrauen, sozialen Unruhen und gezielten Angriffen auf Gesundheitsmitarbeiter“. Auch während des Sars-Ausbruchs in China in den Jahren 2002 bis 2003 seien Menschen asiatischen Ursprungs stigmatisiert worden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: