Politik

Debatte um Reform des Morbi-RSA startet

  • Dienstag, 15. Januar 2019
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Berlin – Eine Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) soll offenbar nun zügig auf den Weg gebracht werden. Wie im Versicherten­entlastungs­gesetz (VEG) beschlossen, soll bis Ende 2019 eine Reform stehen. Dazu hat es gestern nach Informationen des Deutschen Ärzteblattes erste Gespräche zwischen Bundes­gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit der Unionsfraktion gegeben. Übermorgen sollen Gespräche mit dem Koalitionspartner von der SPD folgen.

In dem gestrigen Gespräch soll Spahn sich für ein sogenanntes Vollmodell beim Morbi-RSA ausgesprochen haben. Damit würde die bisherige bessere Bewertung für derzeit 80 Krankheiten, die nach einer ärztlichen Diagnose mit Zuschlägen für Krankenkassen bewertet werden, entfallen. Um ein Vollmodell zu starten, benötigt es allerdings einheitlicher Codierrichtlinien für Ärzte, die Krankheiten und Diagnosen künftig vollständig erheben sollen.

Die Einführung der Codierrichtlinien ist im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehen, das am morgigen Mittwoch vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestags angehört wird. Neben dem Vollmodell sollen auch weitere Änderungen beim Morbi-RSA und der Kassenlandschaft kommen: Offenbar ist auch mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen geplant – so solle es beispielsweise mehr Wettbewerb innerhalb der elf AOKen geben, heißt es.

In dieser Diskussion hat die Techniker Krankenkasse (TK) ein weiteres Gutachten zur künftigen Ausgestaltung des Morbi-RSA vorgelegt. Die Studie, die Reinhard Busse von der TU Berlin im Auftrag der TK erstellt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die „bloße Umstellung auf ein Vollmodell die bekannten Probleme“ des Morbi-RSA nicht lösen werde.

„Dieser Weg des geringsten Widerstandes ist eine Sackgasse“, erklärte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK heute vor Journalisten in Berlin. „Wir brauchen jetzt eine wirksame und sofortige Manipulationsbremse – sonst werden wir in absehbarer Zeit die Kassenlandschaft nicht mehr wiedererkennen.“ Daher plädiert er dafür, dass nun nicht nur einzelne Vorschriften und Regeln geändert werden sollten. „Mit einer Reform, die die echten Baustellen nicht löst und dafür das unliebsame Thema möglichst rasch vom Tisch kehrt, ist die nächste RSA-Korrektur schon programmiert“, so Baas weiter.

Aus Sicht des Wissenschaftlers Busse ist ein Vollmodell, wie es offenbar das Bundes­gesundheitsministerium nun plant, eher kritisch zu betrachten. Dabei entstünden falsche Codieranreize. „Eine Reform muss endlich dafür sorgen, dass der Morbi-RSA tatsächlich das leistet, was er leisten soll: Einen Ausgleich für Versicherte mit teuren Erkrankungen und nicht primär für Krankheiten, die viele Versicherte betreffen“, so Busse weiter.

In seinem Gutachten zeigt er auf, dass die Anzahl der dokumentierten Diagnosen viel stärker ansteigt als die wissenschaftlich bestimmte Krankheitslast. Nach seiner Analyse haben vor allem die Diagnosen zugenommen, die zwar beim Einzelnen relativ geringe Mehrkosten verursachen, aber wegen der starken Gewichtung ihrer Häufigkeit für den Finanzausgleich relevant sind. Ein Beispiel ist die Hypertonie. Krankheiten, die eher schwerer und teurer in der Versorgung sind, entsprächen eher der Zunahme der wissenschaftlich ermittelten Krankheitslast.

Dabei hat Busse die Analysen der deutschen Ergebnisse der „Gobal Burden of Disease“-Studie mit der Datenbasis aus dem Morbi-RSA für die Jahre 2011 bis 2014 verglichen. Daher sein Fazit der Studie: „Es muss ein Umdenken bei der Krankheitsauswahl stattfinden, damit die Bedeutung von günstigen, aber häufigen Diagnosen im Verteilschlüssel abnimmt“, heißt es im Fazit. Und: „Die eng abgrenzbaren Krankheiten sollten wieder in den Vordergrund des Ausgleichs rücken – also schwerwiegend verlaufende Krankheiten oder solche, die chronisch und kostenintensiv sind.“

bee

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